Berlin – und was Quentin Tarantino mit Yoga zu tun hat

Da war ich wieder: in Berlin. Meine Ökobilanz stimmt schon lange nicht mehr – finde den Fehler, wenn man schon wieder in kürzester Zeit ins vegane Paradies fliegt. Aber Gelegenheiten muss man ergreifen. Und ja, Berlin ist zum Essengehen ein Traum. Alle Nationen bieten ihre Köstlichkeiten feil, die Welt im Genuss vereint … und genau das tut bei der aktuellen Nachrichtenlage gut. Was für die Modewelt ein Catwalk von Jean Paul Gaultier, ist in Berlin der Cosmopolitan Eatwalk. Alles, was das Herz begehrt. Wenn es selbstverständlich ist, dass man seine vierbeinigen Freunde nicht isst, braucht man sich in Berlin nicht die Hacken abzulaufen, um unterzuckert und schlecht gelaunt einen Beilagen-Kartoffelbrei bestellen zu müssen. Vegan ist in Berlin selbstverständlich.
Mein Tour-Kalender füllte sich mit Yogaterminen. Und so entdeckte ich sogar noch an meinem Anreiseabend im Stundenplan vom Jivamukti Mitte, dass ich vielleicht sogar eine Yogaklasse mit Dechan Thurman mitmachen könnte – wenn denn zeitlich alles klappen würde. Dechan Thurman ist der Bruder von Uma Thurman. Uma Thurman ist die Lieblingsbesetzung von Quentin Tarantino. Quentin Tarantino wiederum scheint sich seinen Filmstoff aus meinen Träumen zu klauen. So schließt sich der Kreis.
Vielleicht hat Quentin Tarantino sogar ein Quentchen Schuld, dass ich Yoga mit Abhyasa (stetes, wiederholtes Üben mit Disziplin) praktiziere.
So erinnere ich mich an die Serie „CSI Las Vegas“, in der Quentin Tarantino bei einer Episode Regie führte. Genau diese Episode ließ meinen größten Albtraum in Bildern erscheinen. Lebendig begraben – an einem unbekannten Ort, in einem engstmöglichen Plexiglas-Sarg. Ein Ventilator sorgt von Zeit zu Zeit für gerade die nötigste Luft, was einen langsamen Tod gewährleistet. Ameisen krabbeln über den noch lebendig Vergrabenen. Diese Bilder haben schon auf dem heilen Wohnzimmersofa zu einem schieren Nervenzusammenbruch geführt. Ersticken war garantiert – egal, ob man langsam oder schnell atmet. Dem Darsteller ging es noch gut, denn er von seinem Entführer noch einen Revolver in den Sarg gelegt bekommen. Wie winzig muss die Chance auf Rettung erschienen sein? Horror! Vermutlich eines der schlimmsten Dinge, die einem passieren könnten. Im übertragenen Sinn zählt dazu auch Krankheit. Vielleicht gelingt es, in den verzweifeltsten Situationen, die uns das Leben aufdrückt, noch gelassen zu bleiben, Freiheit zu verspüren und sich von seinem eigenen Körper zu lösen. Wenn mir Yoga diese Chance bietet, greife ich natürlich auch hier gerne zu.
So richtig konzentrieren konnte ich mich in Dechans Klasse übrigens nicht. Denn in der ersten Reihe war einer seiner weiblichen Fans und machte mit wilden Ausrufen, Gekicher und seltsamen Bewegungen auf sich aufmerksam, und Dechan wurde einfach übertönt.
Ich war ja erst neulich in Berlin und stellte mich der Berliner Schnauze. Doch diesmal war alles anders: Auf dem Weg zum gemieteten Apartment versuchte ich, meinen Koffer die Bordsteinkante raufzubugsieren, als sich ein Mann mir in den Weg stellte. Ich dachte schon, „wenn der Betrunkene jetzt kommt und fragt, was willste, dann werde ich aber bitterböse“. So schnell prägt sich unsere Gedankenwelt durch Erfahrungen. Der Mann fragte mich, ob er mir helfen könne. Ich schämte mich abgrundtief. Auch berichtete ich bei meinem letzten Berlin-Besuch über den etwas gelangweilten Empfang in beiden Jivmukti-Studios (Mitte und Kreuzberg). Auch das war diesmal ganz anders. An beiden Standorten war der Empfang sehr nett, fast schon herzlich. Derselben Person, die letztes Mal den gleichgültigsten Eindruck der Welt gemacht hatte, konnte ich ein Lächeln abringen. Und so muss ich mich immer wieder auf neue Muster einlassen – beziehungsweise versuchen, gar keine Muster aufzunehmen, sondern die Dinge einfach mal fließen lassen. Es ist ja auch nicht gerade entspannend, schon in Abwehrhaltung ins Yoga zu gehen. Jede einzelne Yogaklasse vor Ort entsprach für mich einem ganzen Workshop. Berlin ließ mich über meine Grenzen hinaus fliegen: schneller, höher, weiter – dabei aber auch tiefer. Für das persönliche Wachstum ist es immer förderlich, seine Grenzen zu kennen, anzuklopfen und dann zu überschreiten.
Bestimmt habe ich mir mit meinem Mantra „ich kann nicht mehr und ich habe die Kraft nicht“ selbst im Weg gestanden, aber konnte mich beim Tun immer wieder umpolen und überrumpeln. Die Klasse bei Petros Haffenrichter, in Yogakreisen bekannt, riss mich mit. Ein erster Eindruck vor einem oder eineinhalb Jahren bei ihm hatte mich nicht gerade überzeugt. Damals dachte ich, „wenn dieser Mensch nur einen Funken seiner Selbstsicherheit über die Menschheit streut, gibt es keine Zweifler mehr“. Ich sollte mich mit meinen Urteilen zurückhalten. Meine zweite Stunde bei Petros war himmlisch. Wenn ich dabei etwas lernen sollte, dann dass man jedem Menschen unbedingt mindestens eine zweite Chance geben sollte.
Besonders ans Herz gegangen: die Stunde bei Rowena Johnson! Was für eine Stimme beim Chanten! Wie oft bekomme ich zu hören, dass es Anfänger besonders befremdlich finden, wenn Mantras gesungen werden. Klang, Melodie und immer neues Wiederholen machen aber glücklich und das Herz weich. Wir schwingen mit, und können in dieser Zeit keinen eigenen Gedanken nachhängen. Wir sind im Jetzt, voller Hingabe. Chanten ist deswegen Hauptbestandteil des Bhakti-Yogas – des Yogaweges der Hingabe –, und ist einer von vier beschriebenen Wegen, die zur Erleuchtung führen (die anderen Yogawege werde ich bestimmt irgendwann auch mal unter die Lupe nehmen).
Aber natürlich war ich auch noch in meinem Lieblingsstudio, dem Peace Yoga Berlin. Und das obwohl der Studiobesitzer Moritz Ulrich (wie oft mag ich jetzt schon geschrieben haben, welchen besonderen Status er in der Yogawelt einnimmt und für mich hat) sich entschlossen hatte, vor mir zur fliehen: jedes Jahr findet im Yoga Vidya Center Bad Meinberg das Jivamukti Summer Expierence statt, welches Moritz leitet. Ich bin immer hin und hergerissen, ob ich für Berlin meine restlichen Urlaubstage hergebe oder vielleicht auch mal in Bad Meinberg dabei bin. Für dieses Mal hatte ich mich für Berlin entschieden, und ich habe es NICHT bereut. Auch alle anderen Lehrer im Peace Yoga gehört mein Herz. Meine Woche wurde großartig und großherzig, philosophisch auf höchstem Niveau, begeleitet von Boris Plücken, Niklas Noack, Rebecca Randak und Sandra Gerhard (in alphabetischer Reihenfolge). Was bin ich dankbar!
Ahhh! Und Rebecca von fvckluckygohappy kommt wohl im Frühjahr 2019 nach Stuttgart. Ihre Hände in den Asissts sind heilig!