Über Schnurren und Singen
Gesucht wurde eine Unterkunft für ein neun Monate altes Katzenkind über einen Zeitraum von drei Wochen. „Animal in distress“! Mein Mann und ich sagten gleich zu. Schließlich wäre man selbst auch froh, wenn man sein Haustierchen in gute Hände geben kann, sobald es die Situation erfordert.
Unser Kater ist mit seinen 19 Jahren ein echt alter Herr, sehr eigen, sehr wählerisch und genießt gerne seine Ruhe. Deshalb waren die einzigen Zweifel, ob wir ihm diese junge Lady zumuten könnten. Wir erklärten ihm, dass es nur für eine Übergangszeit sein sollte, und er willigte schließlich ein, wenn auch missmutig. Eine große Freundschaft ist nicht entstanden, aber auch kein Dauerbeleidigtsein oder gar ein Hungerstreik.
Das Katzenkind übertraf jedoch alles an Lebendigkeit, was ich mir zuvor ausgemalt hatte. Diese Energievorräte hatte ich vollkommen unterschätzt. So ein Katzenkind verlangt einem doch sehr viel an Aufmerksamkeit ab, kann nicht genug Liebe bekommen und fordert diese auch vehement ein. Zuviel Zeit mit der „Neuen“ wollte ich ja auch gar nicht verbringen, schließlich war der mündlich geschlossene „Vertrag“, dass die Katze nach drei Wochen zurückgefordert wird – und die Gefahr, dass ich mich unsterblich verliebe, war groß. Natürlich schaffte ich nicht, mich in der Grauzone aufzuhalten und natürlich verliebte ich mich unsterblich.
Mit dem Katzenkind kam ich ganz schön aus der Puste und an morgendliches Meditieren war erst mal nicht zu denken. Es kratzte an verschlossener Türe, ich gewährte daraufhin Einlass, versuchte dann weiter zu meditieren und in Gottes Namen das ohrenbetäubende Schnurren mit einzubauen. Für ein paar Augenblicke funktionierte das auch. Wenn da nicht die Schnurr-Pause gewesen wäre. Eltern weisen nur allzu gerne darauf hin, dass man sich ab dann Sorgen machen muss, wenn aus dem Kinderzimmer keine Geräusche mehr zu vernehmen sind. Zurecht meist. Also blinzelte ich in der Schnurrschweigeminute auf, und siehe da: das Katzenkind setzte vom Badewannenrand an, um in die Topfpflanze zu hechten … was ich dann auch nicht mehr zu verhindern vermochte, und alles mit Getöse zu Boden fiel. Hätte der Schnurrstopp nicht so etwas ahnen lassen, wäre ich wohl einem Herzinfarkt erlegen.
Die Katze und ich lachten vor dem Trümmerhaufen (ich bin mir sehr sicher, dass die Katze lachte) und so heilig mir die tägliche Meditation geworden ist, für ein Lachen hätte ich auch eine chinesische Vase geopfert.
Unser alter Kater setzt sein Schnurren ja nur noch sehr dezent ein, und es verblasst immer mehr. Diese Art von Geräuschkulisse war also nicht mehr präsent in meinem Leben, und man altert und welkt ja schließlich mit seinen Katzen unbemerkt dahin. Der eingebaute Motor der Kindskatze lief jedoch auch Hochtouren. Das war sicher ein gutes Zeichen, lernte ich doch, dass Schnurren der Beweis ist, dass sich Katzen wohlfühlen. Ich weiß nicht, was mich ritt, dass ich überhaupt in der Suchmaschine den Grund des Schnurrens zu ergründen versuchte – vielleicht, weil ich es liebe, für alles nochmals einen wissenschaftlichen Beweis zu haben.
Die Forscher sind sich nicht ganz einig, aber Fakt ist: den Schnurrmotor anzuwerfen muss die Katze erstens lernen, zweitens kostet es sie erheblich Kraft und Mühe. Umsonst wird es die Natur nicht eingerichtet haben, alles hat seinen Sinn! Die logischste aller Erklärungen – denn als aufmerksamer Beobachter stellt man fest, dass Katzen nicht nur bei Wohlbefinden schnurren: das Schnurren erweckt die Selbstheilungskräfte und regt die Knochen an, sich ständig zu erneuern. Das macht so viel Sinn! Wieso bin erst jetzt darauf gestoßen?! Das ist der Beweis, warum von der Klangschale über das Chanten, das Rezitieren und das Hören von Musik alles im Yoga seinen Sinn hat. Es handelt sich nicht um esoterischen Humbug, und endlich habe ich einen Beleg dafür.
Eine meiner Yogalehrerinnen meinte neulich, dass sie über Monate unter starken Schulterschmerzen litt, und diese nach einem zweitägigen Kirtan (Konzert von spirituellen Liedern) verschwunden waren. Klang erzeugt Schallwellen, und natürlich bringen diese alles in Schwingung. Pure Energie! Und da wir zu mehr als fünfzig Prozent aus Flüssigkeit bestehen, bei der Geburt sogar bis zu achtzig Prozent, sorgen diese Wellen dafür, dass unser ganzer Körper bebt – mal sehr deutlich und mal unmerklich. Bis ins Mark können wir erschüttert werden! Es leuchtet mir vollkommen ein, dass diese Wellenmuster Unstimmigkeiten harmonisieren können, und richtig dosiert sind wir ausgeglichen.
Mein Lebtag lang habe ich es vermieden zu singen, weil sich meine Stimme für meinen Geschmack nicht wirklich hübsch anhört und ich auch keinen Ton treffe. Mittlerweile singe ich aus vollem Halse, und es macht Spaß. Zugegeben, ich praktiziere es vornehmlich unter der Dusche oder im Auto, aber auch das Mantra-Singen in der Gruppe scheue ich nicht mehr. Wenn ich in meinen Erinnerungen krame: ich meldete mich in frühen Schuljahren zur Chor-AG an – Gruppenzwang eben. Diese eine Stunde Chor in der Woche verbrachte ich damit, meinen Mund wie ein Fisch auf und zu zu bewegen, ohne dass ein Ton rauskam. Beim Schul-Weihnachtskonzert wurde ich aber von der feierlichen Stimmung übermannt und zur Mundbewegung entglitten mir Töne. Nun ja, es fiel auf. Für den kurzen Moment des „Singens“ hatte ich meinen Spaß gehabt. Doch es hagelte Kritik – das Konzert hatte ich versaut. Und nachdem ich auch einige Menschen an meinen nicht immer geradlinigen Gedanken teilhaben ließ, bekam ich zu hören, ich solle doch besser schweigen. Meine Hemmschwelle war geboren. Ich schwieg und bei jeder Aufforderung, dann doch etwas mitzuteilen, durchzog meinen Körper die Angst, dass es falsch sein könnte. Das alles war wider meiner Natur, geboren war ich eher als vorwitziges Gör. Meine Außenwelt oder so wie ich diese aufnahm, ließ mein Kehlchakra (Vishuddha Chakra) erstummen.
Mittlerweile fange ich an wieder zu singen, und es ist Medizin! Babysteps! Aber so langsam wie sich die Hindernisse aufgetürmt haben, so lange wird es mindestens dauern, diese wieder abzubauen. Zurück zur Natur, wie sie es gedacht hat – und wenn es den Preis kostet, nicht zu gefallen und unangepasst zu sein. Ob das gelingen wird, weiß ich nicht. Aber man soll ja nicht wollen, sondern einfach tun.
Jetzt bleibt noch die Frage, warum die Yogis soviel auf Sanskrit rezitieren und chanten. Rezitationen sind nicht in Melodie gebrachte Sanskrit-Verse. Hierbei ist es umso wichtiger, dass die Wortlaute und Betonungen ganz exakt sind (viele mystische Geschichten ranken sich darum, welche Flüche einen ereilen, wenn man einen Vers nicht korrekt ausspricht). Beim Chanten, also Singen, ist es eher die Leidenschaft und die Hingabe, die eine Rolle spielen. Somit zählt Singen zum Bhakti Yoga-Weg (Yoga der Hingabe).
Die weiteren Yoga-Wege, die vielleicht zur Erleuchtung führen können, sind:
Karma Yoga – Yoga des selbstlosen Handelns,
Jnana Yoga – Yoga der Erkenntnis und
Raja Yoga – Yoga der Geisteskontrolle.
Dass Bhakti Yoga Spaß macht, erklärt sich von selbst.
Und ja, es gibt auch Mantren in anderen Sprachen. Sanskrit ist mit die älteste Sprache. Empfangen haben diese Sprache die Rishis (Seher) von den Göttern persönlich (wie auch immer man das interpretieren mag) – deswegen kann man davon ausgehen, dass sich jeder Laut logisch erschlossen hat, weil er einfach der Natur entspricht. Der Zustand der Natur heilt. Wenn es also ein Sanskritwort oder einen ganzes Mantra gibt, das eine Eigenschaft hat oder ein Hindernis überwindet, dann erzeugt es oft hintereinander aufgesagt die entsprechende Schwingung. Die jeweilige Körperregion wird angesprochen. Ein Mantra mit Eigenschaft nennt sich Saguna Mantra (das Gegenteil wäre ein Nirguna Mantra, ein Mantra ohne Eigenschaft). Eigenschaften werden gerne in Götterform verpackt, da jeder Gott auch sein Fachgebiet hat. Wundern muss ich mich ja immer, wenn in der Politik der Familienminister von einem Tag auf den nächsten zum Verteidigungsminster wird, so ganz ohne irgendeine Ausbildung auf diesem Sektor genossen zu haben. Da sind die Zuständigkeiten im indische Götterhimmel doch etwas klarer strukturiert.
In diesem Sinne: Egal wie ihr singt und welches Prädikat Ihr dafür bekommt, tut es einfach und tut es laut!
Zusätzlich freuen sich jede Mengen Katzen darauf, adoptiert zu werden. Zum Beispiel hier: Katzenhilfe Stuttgart oder das Tierheim in Stuttgart Botnang.
Hinter jeder steckt ein kleiner Lehrmeister, ein ganzer Gott oder auch ein Pausenclown!