Don’t stop the music
Nochmals kurz zur Erinnerung: am 15. September 2019 ist in der Garage 229 das Wild Soul Yoga Jam Festival, bei dem jeder seinen Spendenbeitrag selbst bestimmen darf. Menschen aus anderen Regionen Deutschlands sind mir zwar schon als viel geiziger und engherziger begegnet als im Schwabenland. Leider aber hängt genau uns dieser Ruf nach, nicht viel ausgeben zu wollen. Zeit, dem Ruf entgegenzuarbeiten. Seid großzügig mit Eurer Anwesenheit, Eurem Geben und Eurer Freude!
An einem sonnigen Tag durfte ich die Garage 229 das erste Mal betreten, um Fotos von der Location und dem Organisationsteam zu machen. Das Licht fiel so in diese ehemalige Autowerkstatt im Art Deco Stil ein, dass man sich als Hauptdarsteller in einem Edward-Hopper-Gemälde fühlte. Traumhaft! In einem dieser Lichtkegel sollten die Körper meiner Models, also des vierköpfigen Organisationsteams des Festivals, doch wirklich gut rauskommen! Sonnengebräunte Haut, dehnbare Gliedmaßen im Kontrast zu unbeugsamem Industriecharme!
Zweierlei Maßstäbe wende ich an: zum einen „Yoga“ – wo alles sein darf und muss: dünn, dick, alt, jung, klein, groß, gesund, gehandicapped und einfach einzigartig schön! Yoga ist für alle da und kann gar nicht in Fotos abgelichtet werden. Deswegen gilt auch für den Yogaunterricht: lasst Euer Shirt an, es kann nicht jeder Schüler an sieben Tagen der Woche sich um einen sattvischen Lebensstil kümmern: also reines Essen und eine täglich unbarmherzige Asanapraxis. Jeder einzelne muss von einem anderen Ausgangspunkt abgeholt werden und befindet sich auf einem anderen Entwicklungsstand. Und man munkelt auch, dass es sie noch geben soll: die Yogis, die mehr an geistiger Entwicklung interessiert sind als an körperlicher. Das Gesetz, sich in der Yogaklasse nur um sich zu kümmern und die Blicke nicht wandern zu lassen, wird jedoch mehrheitlich gebrochen. Und die, die sich das Shirt ausziehen, haben in der Regel sieben Tage die Woche unbarmherziges Training hinter sich – mit deutlichen Spuren unter der Haut. Mit ein wenig Feingefühl kann man sich vorstellen, dass andere vielleicht ein minderwertiges Gefühl bekommen könnten. Dann „Selbst schuld“ zu denken sollte mit einem Rauswurf aus dem Yogahimmel quittiert werden.
In Momenten, in denen ich aber ein schönes Foto wittere, gibt es bei mir nur noch den Sehsinn. Wie oft wäre ich schon beinahe überfahren worden, weil ich für einen Fotoschuss über die Fahrbann rennen musste und dann sofort die Klippen hinunter, um auf einem wackligen Stein ein Blümchen zu fotografieren. Wie viele meiner Mitmenschen habe ich schon mit meinem Rumgeknipse in den Wahnsinn getrieben? Allein morgens zur Arbeit muss ich Extraminuten einkalkulieren, weil die Fotospots überall locken.
Jetzt wollte ich in der Garage 229 einen möglichst unbekleideten Körper, um die Kontraste noch zu verdeutlichen. Der Tobi! Der Tobi schafft es neben seinem Job, neben Platten in Clubs aufzulegen, Ernährungskonzepten zu basteln, neben Yoga, seine restliche Freizeit zu füllen mit Gewichte heben und Kniebeugen. Also genau dieses unbarmherzige Training. Ich vermutete auch, dass er sich selbst ganz gut leiden kann. Ob ich ihn wohl fragen könnte, ob er sein Shirt auszieht? Wie aber stellt man diese Frage? Könnte das als Belästigung gewertet werden? Diese Frage-Erfahrung fehlte mir noch in meiner Knipserei-„Karriere“. Der Tobi würde doch schon wissen, dass ich in dem Alter bin, wo die Ästhetik den Hormonen gegenüber um einiges ranghöher ist. Ach lieber doch nicht – gab es da nicht neulich einen Bericht über Cougars? Das ist der Fachbegriff für reifere Frauen, die sich junge knackige Poolboys oder ähnliches angeln. Die Ansage „Tobi, zieh Dich aus, ich bin alt und mein Mann ist eh mein Lottogewinn“ war jetzt auch nicht der eleganteste Weg. Ach, so wichtig war das Foto doch nicht. Mein Gott, konnte ich nicht einfach mal natürlich sein – der liebe Gott schien die Verklemmtheit zu meinem natürlichen Zustand gemacht zu haben! Noch einmal drehte ich mich um, um Blickkontakt mit meinem Wunschmodell aufnehmen. Da stand der Tobi bereits ausgezogen bis auf seine Boxershorts da. Waren das jetzt 100 Kilometer Bedenken-Leitbahnen umsonst aktiviert?! Wie so oft im Leben: viel Kopf um nichts – kann man nicht einmal vorher statt nachher klüger sein? Aber jetzt hatte ich für Foto und Kunst einen definierten Körper. Und los ging es.
Tobi (Vishvanata) wird selbst eine Yogastunde beim Wildsoul Yoga Jam Festival geben (17.45 – 18.45h), aber als passionierter DJ in der Stuttgarter Szene mit Marvin zusammen – beide sind Wild-on-Top – werden sie noch mehr Yogasequenzen mit Musik unterlegen. Soweit es denn zur Yogasequenz passt.
Es wird ein Festival der verschiedensten Yogastile sein. Yoga hat mehr als 1000 Gesichter und manchmal entfacht auch unter den Lehrenden der Streit, wer der Wahrheit näher ist. Wenn ich meine Gartenhecke beobachte, sehe ich den Kampf der verschiedensten Gewächse ums Licht. Jeder möchte zuerst oben an der Quelle sein. Dann komme ich mit der Heckenschere und stutze einige, vorwitzige Äste zurück, immer mit dem schlechten Gewissen, Gott zu spielen. Was der Hecke die Schere, ist im Yoga der Schüler. Der Schüler entscheidet, was ihm gut tut und ihn zum Licht führt. Und ohne Schüler keine Lehrer!
Auf dem Wild Soul Yoga Jam Festival treten nun auch Lehrer der unterschiedlichsten Stile auf – dieses Mal Hand in Hand und zusammenhaltend. Was habe ich mir das immer gewünscht. In der Tat gibt es manche Studios, die Monokultur pflegen, keine Lehrer aufnehmen, die andere Ansätze haben als der Studioleiter selbst. Das gleicht einer Entmündigung des Schülers. Nichts geht über einen reich gedeckten Tisch an Wissen und der selbstbestimmten Wahl, was auf den Teller kommt. Selbst habe ich mich nie für einen Stil entschieden und genieße die Fülle an Angebot. Baustein für Baustein dieser Vielseitigkeit führt nicht zur Zerstreuung, sondern mehr und mehr zur Klarheit – auch wenn der Boden des Sees unerreichbar ist. Die Lehre des Yogas ist Jahrtausende alt und von Beginn an mit so vielen Einflüssen durchwoben, dass es auch vermessen wäre, all dies in einem Leben erfassen zu wollen. Und nun kamen und kommen noch neue Yogastile hinzu. Nicht selten auch mit Musik. Darf das sein? Sollte man nicht ganz eng an der Tradtion kleben? Ist der eigene Atem nicht Musik genug? Pusht Musik nicht zuviel oder verleiht uns sogar unechte Gefühle?
Musik gehört genauso wie Mantren-Singen zur Lehre von Nada – dem Klang. Und die Geschichte des Yogas erzählt, dass am Anfang nur der Klang da war. In einem hellen Moment habe ich ich in Physik aufgepasst und konnte mich für die unterschiedlichen Wellenformen des Klangs begeistern. Kurze, lange, niedrige, hohe. Der Klang braucht Raum, um sich auszudehnen und vielleicht hat er auch so den Raum erst erschaffen – unser Universum. Die Urknall-Theorie aus der Wissenschaft kommt der yogischen Geschichte doch sehr nahe.
Klänge und verschiedenen Frequenzen können sehr viel auch im Mikrokosmos unseres Körpers anstellen. Teilweise die Organe aus ihrer Trägheit erwecken, Zellen reparieren, das Gemüt erheitern, sicherlich auch auf die Nerven gehen oder traurig machen. Musik kann uns in Trance versetzen und das Herz in Einklang mit dem Beat schlagen lassen. Ohne wissenschaftlichen Beweis bin ich mir sicher, dass es für jedes Organ eine Frequenz gibt. Schließlich schwimmt und bewegt sich in uns alles, da wir doch hauptsächlich aus Flüssigkeit bestehen. Alles in uns ist auf Empfang ausgerichtet. Ganz natürlich, ohne dass der Onkel Kurt auf einem Schemel stehen und die Antenne im 27-Grad-Winkel halten muss, damit unter großem Störrauschen noch ein paar Bild- und Tonfetzen dazwischen flimmern.
Wenn ich an meine erste Jivamukti-Stunde in Berlin denke, war ich so stark körperlich gefordert, dass es nur noch ums nackte Überleben ging, Und trotzdem wollte ich nicht aufhören, die Musik hat mich weit über meine Möglichkeiten getragen. Es war das beste Werkzeug, über meine Grenzen hinausgehen – die Aussicht mal von der höchsten Bergspitze genießen. Musik passt nicht zu jeder Yogastunde, Geschmäcker sind verschieden, jeder Jeck ist anders und für jeden Geschmack wird es etwas beim Wild Soul Yoga Jam Festival geben.
Ein weiteres Mitglied aus dem Organisationskomitee macht eine Stunde ohne Musik, sogar auch ohne Asanas. Als ob ich es mir gewünscht hätte, hält der wunderbare Ken einen Vortrag über Sanskrit – die Sprache der Yogis. Für den einen oder anderen wird ein großes Aha-Erlebnis geben. Mich findet ihr in der ersten Reihe. Kens Wissen hat mich schon einmal aus den Schuhen gehauen.
Sanskrit ist die Sprache des natürlichen Klangs – und kommt auch als Botschaft an, selbst wenn man kein Wort versteht.
Sanskrit und Musik vereint dann Sundaram zum Kirtan-Konzert am Abend.
Susi ist so oder so meine Säule im Yoga. Von Ihr konnte ich ein Foto machen, das mich nostalgisch werden lässt. In den 80er Jahren saß ich vor allen Bildschirmen, die meine geliebten Tanzfilme oder Serien wieder gaben. Von „Fame“ bis „Flashdance“. Und Susi erinnert mich zu sehr an Jennifer Beals aus Flashdance. Hach!
Bewegung und Musik vereint sind Tanz – oder eben Yogastunden, in denen man sich nicht pur selbst aushalten muss, sondern auch ein bisschen getragen wird.
Passend zum Klang-Thema – und das ist bis jetzt noch gar nicht im Programm aufgeführt – wird Martin noch eine Klangschalen-Massage geben. Die Wellen im Körper werden deutlich spürbar werden und ich bin gespannt, welche Klangschale wohl zu welchem Körperteil passt. Gänsehaut ist garantiert.
Ansonsten gibt es endlich die Chance, Stunden und Vorträge zu besuchen, die der Alltag sonst nicht freigibt, besonders für mich. Ob meine Kraft von morgens bis abends ausreicht? Notfalls leiht mir der Tobi ein paar Muskeln. Ob ich mich traue zu fragen? Und ob er auch genug Gesichtsmuskeln hat, um ein Lächeln zu formen, erfahrt Ihr dann am 15 September 2019.
Lachen und Musik vereinen sich zum Wildsoul Jam Yoga Fesival. Zur Anmeldung geht es hier.