Staying @ Home
In Zeiten der Home-Quarantäne wollte ich mich besonders in Selbstdisziplin üben und vor allem ganz viel Yoga für mich zu Hause machen. Ich saß auf dem Sofa und wartete – jeden Augenblick würde die Disziplin über mich herfallen und ich mich ihr hoffnungslos ergeben. Ich wartete. Viel passierte nicht – im Gegensatz zu meinem sonstigen Alltag, der mich in ein Korsett einschnürt. Weder das Sortieren und Aufräumen von Papieren noch die Yogapraxis fanden statt. Na, dann würde eben das schlechte Gewissen anhalten. Aber selbst das machte es sich neben mir auf der Couch gemütlich. Wie beste Freunde wurden wir: wir lasen, spazierten, schoben die Deko von links nach rechts und diskutierten miteinander, ob wir nicht auch etwas entbehren konnten, wir tanzten und aßen. Wir zelebrierten die Lebensfreude. Aber hatte ich diese nicht immer im Yoga gehabt? Wie sehr liebte ich meine hungrig blickenden Schüler, wenn ich selbst Yoga unterrichten durfte. Wie sehr liebte ich meine Yogalehrer, wenn ich Unterricht nehmen durfte. Ich liebte es, mich lebendig zu fühlen, zu schwitzen, ein Stöhnen in ein Lächeln zu verwandeln, hinzufallen, um wieder aufzustehen. Der Yoga-Unterricht, egal auf welcher Seite, gab mir Struktur. Meine Tage, Wochen, sogar Monate waren weit im Voraus geplant, wann ich in welchem Studio meine Matte ausbreiten würde, egal ob als Lehrer oder Schüler.
Warum saß ich jetzt da und füllte mein Leben mit anderen Inhalten? Hatte ich doch allein schon im Yoga noch genug Ziele vor mir. Waren andere Lebensinhalte jetzt Abkommen vom rechten Weg? Ich kann nur Vermutungen anstellen: vielleicht wird der Weg zum Ziel schleichend zur Gewohnheit und zur Pflicht. Die Balance zwischen Verfolgen eines Ziels und Loslassen der Zügel kann zum Ritt auf der Rasierklinge werden – oft lautlos und unbemerkt. Eigentlich sollte jeden Tag neu entschieden und reflektiert werden. Aber wer nimmt sich schon die Zeit dafür, wenn nicht gerade ein Virus in unser Leben grätscht. Über das Bein des Virus gestolpert, auf dem Boden liegend, sehen wir die ganzen kleinen Wunder: den ersten Löwenzahn, der sich in der Frühjahrssonne auseinander fächert und als gelbe, lustige Punkte seine Pflicht erfüllen möchte, uns gute Laune zu bereiten. Seine gute Absicht haben wir all die Jahre nicht verstanden und ihn Unkraut genannt und so behandelt. Und so birgt jeder Tag die Chance, etwas Neues auszuprobieren und zu entdecken, genauso wie jeder Atemzug etwas Neues sein kann.
Es ist nicht schlimm zu pausieren, keine neuen Yogaflows zu kreieren, nicht atemlos in all die angebotenen Yogaworkshops zu springen (ich hatte mir definitiv vorgenommen, dieses Jahr schon viel weniger zu besuchen, aber die wenigen, aus meiner Sicht Notwendigen hatten sich doch schon wieder angehäuft). Jetzt ist Pause angesagt. So oder so, Yoga ist eigentlich ein Grundverständnis des gesamten Lebens mit all seinen Facetten und kann nicht nur auf eine Asana-Praxis heruntergebrochen werden. Wann habe ich mir schon für meine Mitmenschen Zeit genommen, für Gespräche mit Freunden, für die Schulaufgaben der kommenden Generation, mal einen banalen Roman gelesen, einen Spaziergang an der frischen Luft gemacht und mich in die unendliche Welt und Perfektion einer einzelnen Blüte verloren? All das ist auch Yoga.
In der Asana-Praxis darf man ruhig auch wieder ein paar Schritte zurückfallen. Statt mich darüber zu beklagen, freue ich mich doch lieber, neu anfangen zu dürfen – nicht jeder bekommt die Chance dazu. Und wie oft wurde schon der beginner’s mind gepredigt, meist von Menschen, die ihn selten selbst verwirklichen. Es ist nicht der Weltuntergang, mal keine Asanas zu machen.
Aber das Online-Angebot ist mittlerweile riesig und es ist unvermeidlich, dass einer der Yogalehrer auf dem Bildschirm im Augenwinkel erscheint und eine Sequenz vorgibt. Gerade wollte man noch ausblenden und ist dann plötzlich mittendrin und voll dabei. Nach Tagen des Nichtstuns: jede Zelle hat sich nach Dehnung, Streckung und Stärkung gesehnt. Bewegung ist wie Nahrung, wir können daran stark werden, wir können uns überfüttern, aber auch aushungern.
Wem aber schon jetzt die Decke auf den Kopf fällt, wer sich keine Gedanken um eine Yogaabfolge machen möchte: fast jedes Yogastudio in Stuttgart bietet mittlerweile Online-Kurse an – ganz besonders sympathisch wenn Yogalehrer ihren Unterricht aus dem heimischen Wohnzimmer anbieten. Das Regal mit seiner Buchbestückung ist wohl das, was am meisten über die Person preisgibt, der intimste Bereich und was mich dann besonders interessiert. Ein oder zwei Hauskatzen stromern durch das Übertragungsbild, ein Hund sonnt sich von der Asanapraxis unbeeindruckt im Lichtstreifen (er ist ja schon der perfekte Hund), die Kinder prügeln sich lautstark im Nebenraum um Legosteine – kurzum, noch nie ist man seinem Lehrer so nah gekommen, trotz digitaler Distanz.
Aber der Irrsinn beginnt, wenn man sich durch die Flut der Online-Programme durcharbeitet. Und ohne sich mit Technik zu befassen geht es leider auch nicht. Ein paar Apps oder Programme müssen geladen werden – diese sind aber in der Regel kostenfrei. Es ist mir unmöglich, Technik und Stundenpläne der einzelnen Yogastudios und Lehrer aufzubereiten. Aber wer überhaupt und mit welcher Technik Onlinestunden anbietet, versuche ich aufzuzählen. Am besten nutzt Ihr Eure Chance jetzt, neue Sachen kennenzulernen, und ruft auf den Webseiten die Stundenpläne auf. Oder Ihr bleibt Eurem Lieblingsstudio treu – jeder kann Unterstützung gebrauchen. Es kann natürlich auch passieren, dass das was ich heute schreibe, morgen schon nicht mehr aktuell ist. Die Studios, die mir einfallen und Asana-Praxis anbieten versuche ich nach Alphabet zu sortieren. Der Blog des kleinen Elefanten hat bestimmt eine zu kleine Reichweite, als dass es sich lohnen, sein Studio plötzlich à la gelbe Seiten in „AAA SamadhiExpress“ umzubenennen. Und mir fällt sowieso keiner ein, der keine Unterstützung verdient hätte.
Hier eine kleine Asana-Praxis-Übersicht:
Ashtanga Yoga Mitte – Farzad bietet ohne festen Stundenplan per Skype geführt die erste Serie im Ashtanga an. Am besten meldet Ihr Euch per E-Mail. Und eine Spende auf sein Konto gehört zum guten Ton.
Fuß über Kopf – schon immer kam mir nur Gutes über dieses Studio zu Ohren, die Livestunden werden angekündigt und laufen dann live über Instagram. Über Spenden freut sich das kleine Studio wie verrückt, auch wenn es sein Stunden sogar kostenlos zur Verfügung stellt.
Jivana Yoga Studio – Live-Yoga-Sessions mit Alya, Andrea, Janna, Patty und Sandra werden über den Instagram-Livestream und über Facebook übertragen. Die Livestreams findet Ihr über das Fitnessstudio „Puls“. Über Yoga hinaus werden dort auch andere spannende Kurse angeboten, für ale, die mal über den Tellerrand schauen möchten.
Pia Prosser – eine der wohl begnadetsten Yoginis, aber mit eher leisen Tönen, bietet via Zoom Privatstunden an. Eventuell kommen Ashtanga-Led-Klassen dazu, der Wunsch danach ist groß. Led bedeutet übrigens „geführt“, also mit Ansage. Denn Ashtanga Mysore erfolgt ohne Ansage und macht daher als Online-Klasse vielleicht weniger Sinn. Die Konditionen können Ihr bei Pia per E-Mail erfragen.
Noeli – mit all ihrer Hingabe unterrichtet sie sanfte Vinyasa-Stunden mit viel Zeit zur eigenen Innenschau über Zoom. Meldet Euch bei Ihr per E-Mail, sie wird Euch die jeweiligen Termine durchgeben und den Zugangscode per E-Mail oder WhatsApp versenden. Ein Spendenbeitrag ist der alleinerziehenden Mutter bestimmt willkommen.
Susanne Esposito – ich habe bereits zwei Yoga-Sessions auf Zoom mit ihr mitgemacht und muss feststellen, die Ansagen sind punktgenau wie eh und je, und das Herz ist auch aus digitaler Entfernung keinen Zentimeter weiter weg gerückt. Da keine weiteren Einkünfte vom Himmel regnen, freut sich auch Susi über einen Spendenbeitrag. Bitte meldet Euch für die Zoom-Einwahl-Links bei ihr per E-Mail.
raum3yoga – das steht für Katja Seiffert. So wie es doppelstöckige Garagen gibt, müsste es für ihre Klassen doppelstöckige Matten-Geschosse geben. Ihre überaus beliebten Jivamukti-Klassen könnt Ihr in der Yogablume buchen, und auch über das Vinyasa Yoga Sindelfingen. Ansonsten gibt es Kostproben bei Youtube und da sowohl über Yoginzky als auch über das 0711YogaCollective.
Vinyasa Yoga Sindelfingen – fast täglich findet Ihr eine Online-Yoga-Stunde hier. Ihr braucht die Eversports-App und zahlt einen Preis pro Stunde, den man gerne entrichtet.
Wohlfühlbereich – wie auch immer dieses ausrichtungsstarke Studio es macht, Ihr könnt sämtliche Yogavideos einfach so anschauen. Vielleicht seid Ihr einfach hinterher großzügig und werdet Mitglied oder bucht einen der tollen Workshops.
Yogablume Ludwigsburg – es gibt täglich oft zwei, mindestens aber eine Yoga- oder Pilates-Session. Allerdings nicht einfach so zum Reinschnuppern, sondern als Angebot für die bestehende Community. Oder man kann sich eine Online-5er-Karte kaufen. Ihr braucht zwei Apps, einmal die Eversports und dann die Zoom oder alternativ vimeo. Von der Everports-App wird dann direkt auf Zoom bzw. vimeo weitergeleitet. Eine ausführliche Anleitung findet Ihr hier. Ein Drop-In gibt es derzeit noch nicht, aber da fast täglich Änderungen möglich sind, hält das vielleicht auch hier Einzug – ich wäre dabei!
Yogamand – kurz für: Yoga mit Andrea, wobei auch andere Lehrer kostenfrei hier unterrichten. Die Zeiten findet Ihr auf der Homepage. Bei so viel Veränderung um uns herum vielleicht auch gleich mal die Chance, etwas Neues auszuprobieren: den Katonah-Yogastil. Ihr braucht hierfür das kostenfreie Zoom als App auf dem Smartphone oder als Download auf dem Computer.
Yoga Ma – hier gibt es kostenfrei Youtube-Sessions
Yoga13 – auf Spendenbasis werden in großzügiger Anzahl Yogastunden angeboten – jeweils als Live-Stories auf Facebook und Instagram. Ansonsten gibt es noch einen Youtube-Channel mit tollen Mantras von Tobias.
Yoga am Südheimer Platz mit Sonja Hradetzky – es wird mal entspannter: Online Yin- oder Restorative-Klassen jeden Donnerstag und gerne auf Spendenbasis.
Yoga Studio Fox– beinahe hätte sich die Studioleiterin vor lauter Initiative um das 0711YogaCollective selbst vergessen. Das Yogastudio Fox bietet für seine Mitglieder Live-Stunden an, für alle anderen auf Spendenbasis. Der Stundenplan und die Erklärung der Teilnahme sind mit die besten und logischsten. Ihr braucht lediglich einen Youtube-Account.
Yoga Vidya Stuttgart – entweder seid Ihr schon Mitglied, dann sind die Online-Stunden kostenfrei. Oder Ihr dürft pro Stunde einen Beitrag von 10 Euro spenden – das ist wirklich nicht viel, bekommen werdet Ihr hingegen jede Menge. Die Stunden bekommt Ihr via Zoom in Eure vier Wände. Ihr könnt Euch schon via Facebook anmelden, und die Mannigfaltigkeit der Stunden ist groß.
Yoginzky – Oh Anna! Von hinten wie von vorne, Dein Name sei gesegnet (Zitat: Freundeskreis). Die Yogapraxis der Studioleiterin wie von all ihren Studiolehrern ist nicht nur exzellent, sondern das Herz ist auch am richtigen Platz. Danke für das Angebot der Livestreams auf Facebook und Instagram und all die tollen kostenfreien Youtube-Videos. Ansonsten freut sich das Studio sehr über Spenden.
YummieYoga – auch hier lohnt sich ab und an, auf Social Media zu schielen. Hin und wieder wird auch eine Yogaklasse via Zoom angeboten.
Nicht an das Alphabet gehalten habe ich mich bei 0711YogaCollective – weil so oder so alle Yogatreibenden in und um Stuttgart querbeet mitmachen und Euch kostenlos Youtube-Videos zur Verfügung stellen. Sicher kommen auch noch die Yogastudios hinzu, die ihr bisher in der Aufzählung vermisst habt: frei.zeit, Mattengold, JaiJaiMa und noch so viele mehr. Tolle Videos könnt Ihr jetzt schon sehen von Anna-Mareike, Bärbel, Kathi, Katja, Maja – wie gesagt: es wird sich weiter füllen. 0711YogaCollective ist der Herzöffner schlechthin, weil es mal „beyond Konkurrenz“ läuft und nichts als Zusammenhalt und Liebe sendet. Auf Dauer geht das natürlich nicht, wenn Ihr wollt, dass Eure Yogastudios bestehen bleiben und Eure Yogalehrer nicht ganz verhungern. Aber zum Reinschuppern und als Aktion total wundervoll! Danke nochmals an Maja vom Yoga Studio Fox für diese Initiative!
Da Ihr jetzt alle digital unterwegs seid, enden die Grenzen aber nicht in Stuttgart. Ihr könnt auch inspirierende Yogaflows mitmachen beim PeaceYogaBerlin, beim OmmmStudio Freiburg, beim Laughing Lotus aus NYC und und und.
Dann habe ich aber noch ein paar Hot-Tips jenseits der Asana Praxis
Anisha Yoga (bisher noch gar nicht erwähnt) … flimmerte mit den schönsten Mantras durch meine Social-Media-Kanäle. Hier ein Beispiel aus der Soundcloud. Aber auch Livestream-Yogaklassen gibt es.
Auf die unerschöpflichen Wege und die tiefgründigsten Plätze, nämlich Euer Selbst, leitet Euch Tanja von zeitlos life & soul balance. Ihr bekommt wunderschöne Meditationen nach Zahlung von knapp zehn Euro als MP3. Tanja ist meine ehemalige Studienkameradin und nach rund zwei Jahrzehnten ist es für mich das Berührendste, dass das Leben unsere Wege jetzt wieder zusammenführt. Das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen (zweiteres noch mehr) formt wohl die besten Lehrer, die Euch da abholen können, wo andere Euch verlassen. Und: Tanja hat sogar eine Meditation für Kinder zwischen 3 und 10 Jahre – wenn das mal nicht jetzt notwendig ist!
Genauso meine Weggefährtin und ehemalige Kollegin Susanne Wierl mit ihrer nahezu abenteuerlichen Reise von einem vielleicht an der Oberfläche glänzenden Beruf als Fernsehredakteurin hin zur Heilerin, Ayurveda-Spezialistin, Hypnotiseurin und auch zum wohl ersten „bodenständigen Medium“ (eine Geschichte über Hypersensibilität). Sie bietet Euch online in Einzelsitzungen das an, was online geht. Mehr Liebe und Geduld sind kaum möglich.
Täglich um 18 Uhr gibt es auf Instagram Live von Christine Schmid eine deutschlandweite Atemsession. Diese 15 Minuten kann sicher jeder erübrigen. Auf Ansage wird abgehottet was das Zeug hält und dann gemeinsam deutschlandweit geatmet. Geschworen: es macht glücklich und trotz all dieser Distanz wird das Gefühl von Verbundenheit gestärkt.
Yoga Cannstatt – der Studioinhaber Dennis Oldenburg hat auf seiner Seite ein paar Soundcloud-Clips eingebunden, die ich lieber schon sehr viel früher angehört hätte. Nach den leisen Tönen und den Diamanten muss man aber manchmal etwas länger schürfen. Aber jetzt nach Entdeckung, halte ich die Edelsteine mal hier ins Licht. Eine gelungene Mischung aus Mediation und Philosophie!
Bei diesem überaus großen Angebot kann natürlich passieren, dass mir etwas durch die Lappen gegangen ist. Auch gibt es Studios und Lehrer, die ohne Ersatzangebot mal die Zeit zum Auftanken nutzen – trotz aller Existenzängste.
Egal wie: Ihr seid Helden!