all colours of the world … united!

Soll ich? … über ein Thema schreiben wie das, dass alle Menschen doch gleich sind? Es erscheint mir zu selbstverständlich, und ich frage mich, ob ich die richtigen Worte finde.
Natürlich sehe auch ich äußerliche Merkmale, natürlich unterscheiden wir uns in Hautfarben, Haarfarben, Größen, Formen und besitzen weitere ethnische Erkennungsmerkmale. Desweiteren gibt es noch Unterscheidungsmerkmale, die wir selbst gewählt haben: Frisuren, Kleidung, Tätowierungen. Wir können noch weiter aufsplitten in Geschlechter, Altersgruppen und Gesundheitszustände. Manche erleiden im Lauf des Lebens den Verlust eine Sinnesorgans oder auch von Gliedmaßen oder kommen schon so auf die Welt. Wir können unsere Sexualität, Religion und unseren kulturellen Hintergrund leben oder sogar integrieren –zumindest in der westlichen Hemisphäre. Aber allen ist gleich, dass die Seele sich eine Behausung gesucht hat und ihr Grundnahrungsmittel die Liebe ist. Je nach Erfahrung und Prägung kann der Durst nach ihr unterschiedlich sein, bis eben alle den gleichen Pegelstand erreicht haben. In Liebe ist noch keiner ertrunken, und da dieser Rohstoff immer gebraucht wird, hat die Natur es ganz praktisch eingerichtet: man kann sich nicht verausgaben, sondern die Liebe vermehrt sich.
Lieben ist der Weg, der über Erkenntnis geht. Nicht zu lieben würde einem selbst schaden. Vielleicht muss man sich um die Liebe sogar etwas bemühen. Was umsonst ist, schnell anfliegt und der wirklich einfache Weg ist, ist der Hass.
Ich lebe in Deutschland und daher mit einer unsagbar grauenhaften Geschichte. Und immer wieder erschrecke ich, dass die schrecklichen Ereignisse nicht mal einen Wimpernschlag her sind – die moderne Zeit hatte längst Einzug gehalten. Und doch ging es in die finstersten Abgründe der Menschheit zurück. Aber wir haben daraus gelernt – so zumindest meine Überzeugung bis vor kurzem. Eine Partei wie die AfD kann es doch gar nicht geben – wozu die vielen Berichterstattungen und Mahnungen auf den sozialen Medien? Wird mit solchen Warnungen nicht sogar noch gezielt eine Werbeplattform geschaffen? Egal, wir hatten unsere Geschichte, wir haben daraus gelernt. Es kann keine Partei geben, die nicht Geflüchteten helfen möchte, die auf Unterschiede im Menschsein besteht. Wir sind doch alle besser geworden – Rassisten kann es nicht geben. Und dann, dann kamen die Wahlergebnisse. Die der AfD waren schwindelerregend hoch. Mein Herz krampfte. Die Wirklichkeit da draußen entsprach nicht meiner Wirklichkeit. Meine rosarote Brille wurde mir aus dem Gesicht geschlagen und noch sammle ich die Scherben ein.
Der Satz „wir haben aber doch daraus gelernt“ ist omnipräsent. Wir sehen uns gegenseitig an, erkennen die Unterschiede, freuen uns darüber – oder bei reflexartigem Missfallen reflektieren wir, erforschen die Hintergründe, gehen im Gespräch aufeinander zu, um eine gemeinsame Basis oder eine Lösung zu finden. Ein offensichtliches Merkmal ist, dass wir Menschen uns über Jahrmillionen an die unterschidlichsten Bedingungen angepasst haben, die vor allem Wind und Wetter forderten. Ich bin in diese Unterschiede verliebt: Sind die Vorfahren durch Eiswüsten gelaufen, mussten sie in Gluthitze immer nach einer Wasserquelle Ausschau halten? Bis heute führt das dazu, dass ich frage, wo die Wurzeln meines Gegenübers liegen. Hintergrundwissen für mich, um noch mehr über die Welt zu erfahren. Doch für viele sind solche Fragen mittlerweile rassistisch. An dieser Stelle sei erwähnt: ich bin Europäerin, hellhäutig, aber am laufenden Band am Frieren – klimatisch fühle ich mich in keinster Weise angepasst. Irgendwann wurde im Familienstamm mütterlicherseits geforscht, ob der Nachname „Ege“ vielleicht auf Vorfahren aus der Ägäis deutet. Je älter meine Oma wurde, desto mehr glich sie aber einer Mongolin, was noch weit über den Raum der Ägäis hinaus reichen würde. Der Stammbaum wies nur über Generationen die Schwarzwaldwurzeln auf. Im dritten Reich wurden die Menschen vermessen und kategorisiert. Das Ergebnis für meine Oma war „ostisch“. Das war natürlich schon per se ein Merkmal zweiter Klasse. Ein Segen, dass sie einen blonden strammen, reichstreuen Herrn abbekommen hatte. Das Schicksal einer Frau glich noch zwei Generationen dem eines Blattes im Wind. Und wenn dann noch der Glaube „falsch“ war, ob praktizierend oder nicht, war der Tod besiegelt. Der Schulbildung entzogen, entrechtet, wirtschaftlich ausgeschlossen, enteignet, saßen Menschen in Zügen ohne Luft, Wasser und Toiletten dicht zusammengepfercht auf dem Weg in den Tod. Es reicht, die Angst eines einzelnen zu spüren, sie nur für Sekunden auszuhalten, um das Ausmaß des Schreckens zu erahnen. Wir alle können im Lauf des Lebens Empathie erlernen, egal ob es uns selbst an Liebe gemangelt hat.
Gehen wir weiter zurück, jenseits aller Unterscheidungen, zum Ursprung der Menschheit, liegt dieser wohl in Äthiopien – die Wiege des Homo sapiens. Unser Ur-Gen, vielleicht das Gen, das Liebe braucht, aber auch das an die Umwelt perfekt angepasste Gen bringt Farbe ins Leben. Die Wahrheit ist: Wir sind alle schwarz! Heller wurden einige von uns durch eine genetische Laune, die sich im Laufe von Jahrmillionen durch Völkerwanderungen verbreitet hat – am Anfang stand immer eine Mutation. Heller zu sein schützt eben nicht so gut vor den Widrigkeiten des Lebens. Aber da der Mensch sich auch immer weiter in den Norden des Globus verbreitete und in den finsteren, kalten Wintern in lichtarme Behausungen zog, setzte sich dort der anfängliche Gendefekt durch. Je mehr Eisstürme wüteten, desto höher wurden die Wangenknochen, desto kürzer die Nasen. Je mehr Sonnenlicht empfangen wurde, desto weniger musste sich Menschen diesem entgegenstrecken. Je mehr die Menschen Ausschau hielten nach Nahrung, desto praktischer war eine höhere Körpergröße. Für mich ein Wunderwerk der Natur, ein wahre Explosion an Individuen. Jeder perfekt angepasst an seine Umgebung. Wir sind alle perfekt – genau in dieser Unterschiedlichkeit. Aber im Inneren sind wir doch alle gleich. Da hilft es auch nicht, sich unauffällig in einem beigefarbenem Mantel wegzuducken. Unsere Seele sucht sich ein Zuhause, manchen passt es, manchen nicht. Bei den meisten ist es wohl harte Arbeit, sein Gehäuse im Lauf der Zeit zu akzeptieren. Was ja nicht von Geburt an so angelegt ist – vermutlich wären wir alle glücklicher, wenn es da nicht die Vergleiche gäbe. Im Schwachen fängt es an beim Schönheitsideal – wie gerne würden wir doch aussehen, wie es die Modemagazine vorgeben. Es ist unser Bestreben, gleich zu werden, um einer Gruppe anzugehören. Wir alle wollen gleich sein!
Bei den Schönheitsidealen gelingt es manchen, sich doch davon frei zu machen – es ist unsere eigenste Entscheidung.
Es gibt aber auch den Kampf ums Überleben. Es ist die genetische Anlage jedes Menschen, sein Fortbestehen zu sichern. Für seine Kinder eine bessere Perspektive oder überhaupt eine Perspektive zu erreichen. Die Globalisierung beschleunigt die Völkerwanderung. Man geht da hin, wo es etwas gibt – das ist menschlich. Wir sind alle Menschen! Wirtschaftliche Unterschiede werden von der Industrie befördert, es wird von einer kleinen Anzahl von Menschen entschieden, wer reich werden darf und wer arm bleiben muss. Beide Seiten können nicht ohne einander, und der Graben wird aufrecht erhalten. Für Geld – Papier, das mit Zahlen bedruckt wurde! Bevor Geld Unterschiede aufweichen könnten, kommen Waffen ins Spiel. Unterschiede dienen der Waffenindustrie, Unterschiede müssen als Grund herhalten, Leben zu verlieren. Wir sind aber alle eins! Wir sind nicht Länder und Grenzen, Hautfarben und Religionen. Wir sind ein Erdball! Wir sind alle miteinander verbunden! Wird der Regenwald abgeholzt, bekommen wir alle die Folgen zu spüren – um nur ein Beispiel zu nennen!
Eine der jüngeren Völkerwanderungen war unfreiwillig. Amerika wurde „entdeckt“ – nicht, dass es Amerika nicht schon gegeben hätte und von Indianern bevölkert war. Aber die Not in Europa war groß. Es gab Entbehrungen, Kriege, Hungersnöte durch Kartoffelfäule und so viele Kriminelle, dass sie gar nicht alle weggesperrt werden konnten. Europa konnte seine Bevölkerung nicht mehr ernähren. Der unbedingte Lebenswille ließ die Ärmsten der Armen und die Kriminellsten übersiedeln. Die ersten Jahre waren hart, jeder versuchte, Fuß zu fassen und sein Stück Land urbar zu machen. Fleiß, Gottesglaube und die Waffe unterm Arm waren dabei die größten Stützen. Die Urbevölkerung wurde grausam dezimiert, um an Rohstoffe zu kommen. Die Nordstaaten wandten sich der Industrie zu, die Südstaaten eigneten sich besser, um Felder zu bestellen: Baumwolle, Mais, Tabak. Ohne Arbeitskräfte war dies jedoch kaum zu bewerkstelligen. Aber die Europäer hatten ja nicht nur Amerika entdeckt, sondern mittlerweile auch Afrika. Die dortigen Einwohner wurden versklavt und zu Abertausenden nach Amerika verschifft. Menschen, die ab sofort keine Rechte mehr hatten, deren Kultur missachtet wurde und die mit Peitsche und Folter zum Dienen gezwungen wurden. Ohne Afrika wäre Amerika niemals so weit gekommen, wie es heute ist. In aller Grausamkeit muss ich die weitere Geschichte nicht wiedergeben, auch den harten Kampf von der ersten dunkelhäutigen Frau, die den Platz im Bus nicht für einen Hellhäutigen räumen wollte, bis zu Martin Luther King. Längst hatten die Nordstaaten gegen die Südstaaten gewonnen und die Sklaverei abgeschafft. Ungerechtigkeit und Diskriminierung gab es aber immer noch.
Doch als Kind der 80er Jahre lernte ich im Schulunterricht, dass Amerika das Paradebeispiel sei für einen gelungenen „melting pot“ – für Zuwanderung und die Chance für Jedermann, es vom Tellerwäscher zum Millionär zu bringen. Freiheit, Gleichheit, Fortschritt! Amerika war das globale Vorbild, und wir zehrten uns danach, dass jeder Trend nach zwei Jahren auch zu uns herüber schwappte. Amerika hatte es zu etwas gebracht und auch uns ihre Werte von Wirtschaftswachstum, Chancengleichheit und Gerechtigkeit gelehrt. Amerika ist stolz darauf. Als Tourist hinterfragt man gar nicht mehr, dass die Flagge fast überall weht, und die Nationalhymne einen Stellenwert hat, den es in kaum einem anderen Land gibt. Schön wäre es, wenn darin gleich ein Dankeschön an die Indianer und die afroamerikanische Bevölkerung enthalten wäre, auf deren Rücken der Erfolg zu verbuchen ist.
Meine Freundin aus New York City postete neulich morgens verstörende Meldungen, in denen der Name George Floyd fiel. Noch war diese Meldung nicht in den deutschen Medien angekommen. Ich googelte, und mir offenbarte sich ein Video, das mir die Tränen in die Augen trieb. Ein Mensch, der immer wieder unter dem Knie seines Peinigers ächzte, dass er keine Luft bekäme. Umstehende Menschen versuchten zu erreichen, dass der knieende Polizist losließ. Es ging um Leben und Tod. Nach fast neuen Minuten bekam George Floyd keine Luft mehr und erlag der Folter.
Der Unterschied zwischen Schwarz und Weiß war nie weg. Zwischenzeitlich erlangten wir alle Genugtuung, als im Film „Grüne Tomaten“ der weiße Peiniger auf dem Grill landete. Was hätten wir darum gegeben, wenn Bill Cosby uns bei den Huxtables aufgenommen hätte. Wollten nicht alle meine Bekannten ein dunkelhäutiges Baby adoptieren, weil es einfach besser aussah statt der bläulich gläsern Schimmernden, bei denen es einen nicht wundern würde, wenn ein schwimmender Goldfisch noch seine Kreise durch den Kopf zöge. Und da war er – der Unterschied zwischen Schwarz und Weiß. Mein Herz würde Gerechtigkeit empfinden, wenn als Ausgleich zur Sklavenhaltung in der Vergangenheit, die Dunkelhäutigen hofiert würden, ihnen bessere Schulbildung und bessere Jobangebote offeriert würden. Fühlte ich mich als Hellhäutige nicht beinahe minderwertig, neben dem perfekt definierten, samtigen Körper einer Dunkelhäutigen Yoga zu praktizieren?
Mein Onkel, kaum fünfzehn Jahre älter als ich, dunkelhäutig (ich würde es nicht erwähnen, wenn es nicht auf einmal eine Rolle spielen würde), wuchs in South Carolina auf. Es war wie ein Schauermärchen: Vor dem Haus seiner Familie standen in regelmäßigen Abständen Menschen, verhüllt in weißen Kutten, nur die Augenlöcher waren noch frei – mit Fackeln in der Hand. Der Kukluxclan! Ein Kapitel, was mein Kopf in ein finsteres Zeitalter verbuchen möchte. Doch das finstere Zeitalter existiert noch heute. Menschen, die hilflos Todesangst ausgesetzt werden.
Was bleibt, ist eine Wunde. Eine klaffende Wunde zwischen Weiß und Schwarz, zwischen Religionen, zwischen Ländern, zwischen Arm und Reich. Wir sind alle Rassisten!
Wir müssen alle endlich die Hand, die gereicht wird, ergreifen, und als Geschenk begreifen. Wir müssen zuhören, nicht verteidigen, wir müssen verstehen. Rassismus, Diskriminierung, Unterdrückung haben keinen Platz mehr auf der Welt!
Ich kann mich aus dem „wir“ nicht ausschließen. Auch ich bin Rassist! Es fängt im Kopf an. So wurde ich neulich an einem schönen Tag auf der Fahrbahn genötigt zum Anhalten, weil eine Familie, offensichtlich islamisch, ihre vielen Kinder in ihr Auto einsammelte. Ich wünschte ihnen wer weiß was, bemerkte meinen Gedanken und erschrak. Ich mag viele Religionen nicht, „unsere“ übrigens oft auch nicht. Die Strömungen des Islams sind kaum nicht greifbar. Fakt ist: Möchte ich Religionen ignorieren, muss ich denen, die sie ausüben, erst mal ohne Vorbehalte als Mensch entgegentreten. Damit ich auch als Mensch gesehen werde. Rassimus fängt im Kopf an. Hegen wir solche Gedanken, dann müssen wir sie erkennen und verwerfen.
Die Welt demonstriert gegen Rassismus und für Gleichheit, ausgelöst durch den Fall George Floyd. Auch Yoga fordert von uns, nicht dahinzudümpeln und hinzunehmen, dass die Welt so ist wie sie ist. Dazu gehört Aktionismus – die Stimme muss immer für den Schwächeren erhoben werden. Das Ziel ist es, die Welt besser zu machen! Für uns alle bleibt genug, und Liebe kennt in der Vermehrung keine Grenzen, nur Hass beschränkt uns!
Wir sind George!
Wir sind Atem!
Wir sind Liebe!