Flagge zeigen
Ja. Es ist alles gesagt, nur noch nicht von jedem. Deswegen schwingt der kleine Elefant heute mal sein Fähnchen! Naja, ein paar mehr Worte müssen es zu diesem Thema doch wieder werden.
Meistens beobachte ich erst mal, ob ein Thema mich über mehrere Tage gefangen hält oder ob es sich aussitzen lässt. Somit bin ich wenigstens bemüht, mein ungestümes Wesen zu disziplinieren. Aber nun ist einige Zeit ins Land gegangen, und nichts ist gut. Die letzten Ereignisse waren geprägt von Menschen, die auf die Straße gehen und die nicht einverstanden sind. Womit sie nicht einverstanden sind, lässt sich nicht zusammenfassen – jeder ereifert sich einem anderen Thema. Aber sie haben sich zu einer Sammelklage zusammengerauft, und laufen freudig gemeinsam unter einer Fahne. Und zwar der Fahne, die verdammt nochmal Hass, Qualen, Grausamkeit und Tod symbolisiert! So fit sollte man in Geschichte sein, dass man dies erkennt. Wenn nicht, würde es auch schon ausreichen, über Herzensbildung zu verfügen. Es ist die Pflicht eines jeden, sich einzusetzen und seine Stimme zu erheben, damit sich unsere deutsche Geschichte niemals wiederholt. Eigentlich nirgendwo, aber zunächst sind wir für unseren eigenen Zirkel verantwortlich. Und immer wenn man glaubt, das müsste selbstverständlich sein, zeigt sich, dass es das leider nicht ist! Es kostet immer wieder Mühe.
In Deutschland wurden wegen Corona bisher keine Massengräber ausgehoben. Vielleicht gibt es sogar Meinungen, die das darauf zurückführen, dass vor der deutschen Grenze die klingonischen Energieschilder hochgefahren werden, die das Virus beim Durchdringen in einen haushaltüblichen grippalen Infekt umwandeln. Als Happy End erhebt sich der Deutsche nach ein paar Tagen gestärkt aus seinem Bett. Wenn das nicht gelingt, wer weiß woran er nicht stark genug geglaubt hat oder welche satansgemachte Strahlung zu sehr in sein Hirn eindrang. Zum Beispiel die Strahlung von Kommunikationstechnik, die aber solche Versammlungen überhaupt erst möglich macht. Ein veganer Koch behauptete, dass die Kanzlerin alles verstaatlichen will. Andere Gegen-alles-Menschen im Kielwasser krakelen, der russische Staatslenker möge doch bitte endlich auch die Macht über unseren Staat ergreifen. Da soll noch einer durchblicken! Man könnte wirklich glauben, dass ein Virus um sich greift, das die Hirne aufweicht.
Absolut verständlich ist, wenn Menschen wegen der wirtschaftlichen Einschränkungen Angst um ihre Existenz bekommen oder sogar vor dem Existenzende stehen. Die Kultur- und Kunstszene, hauptberufliche Yogalehrer, Therapeuten und viele andere werden von den staatlichen Hilfsmaßnahmen nicht ausreichend berücksichtigt. Doch während andere Länder mit massenhaftem Sterben kämpfen und trauern, geht es bei uns vielen doch ziemlich gut. Und gerade von solchen Seiten kommen dann Beschwerden über anscheinend essentielle Themen wie Fußball und Karneval. „Fight for the right to party“ – und das auch jenseits der Gruppe von Jugendlichen und Zwanzigjährigen. Nicht selten vor solch trivialen Hintergründen heißt es dann nicht selten: gestorben werde ja schließlich immer, ob beim Verkehrsunfall, durch Herzinfarkt oder am Krebs in all seiner Mannigfaltigkeit. Am Tod führe ohnehin kein Weg vorbei.
Die meisten Todesarten sind jedoch nicht ansteckend, und zumindest vor Corona kann man sich ganz gut schützen – nicht hundertprozentig, aber immerhin. Der Mund-Nasen-Schutz ist nicht bequem, wirklich nicht, aber diese Unbequemlichkeit nimmt man doch gerne in den Kauf und mittlerweile ist der Mund-Nasen-Schutz sogar ein Zeichen, dass man seinem Gegenüber alle Gesundheit der Welt wünscht. Es ist ein Zeichen von Freundlichkeit und Mitgefühl. Corona ist neu, viele Maßnahmen dagegen noch experimentell – wie sollte man sich auch auf Erfahrungswerte stützen? Auch wenn die Vorsichtsmaßnahmen den Individualtouristen im Tramuntana-Gebirge ebenso trafen wie den Ballermann-Wochenendausflügler, und das sicher ungerecht war, auch wenn das Besuchsverbot in Altenheimen übertrieben war und Kinder einander viel mehr gebraucht hätten – in Deutschland wurde doch sehr viel mehr richtig gemacht als in anderen Ländern. Wir sollten mit Verständnis auf die getroffenen Maßnahmen reagieren. Die Absichten waren immer gut. Unsere Regierung ist von uns gewählt, bei Endlosdebatten verzettelt diese sich gerne mal, beim Herumjonglieren mit verschiedenen Interessen kommen oft Kompromisse heraus, mit denen dann keine Seite glücklich ist. Und manchmal mischt sich die Wirtschaft zu sehr ein. Aber es ist Demokratie! Die Maßnahmen gegen die Verbreitung des Corona-Virus sind der Spiegel eines hart erarbeiteten und nicht selbstverständlichen sozialen Miteinanders. Es zeichnet dieses aus, dass auch die überleben dürfen, die nicht das Darwinsche Prinzip erfüllen, nach dem nur die Stärksten überleben. Da ich in einem agrarwissenschaftlichen Unternehmen tätig bin, weiß ich, wie brandgefährlich ein zu enger genetischer Pool werden kann, wir brauchen dringend auch die Schrägen und scheinbar Schwachen – und das gilt über Nutzpflanzen hinaus.
Wir nehmen aufeinander Rücksicht, das ist eine herausragende Errungenschaft der Menschheit und Menschlichkeit. Und diese Entwicklung darf so gerne auch fortgeführt werden, vieles andere jenseits der Herzqualität übernehmen demnächst ohnehin Computer.
In meiner Grundschulzeit war ich die Erstinfizierte mit Windpocken, zwei Wochen Krankschreibung folgten – mit kaum Symptomen, dafür Hanni-und-Nanni-Romanen am Fließband. Es waren schöne zwei Wochen. Ich fühlte mich beinahe auserkoren und gesegnet. Nach meiner Gesundung war aber die ganze Schulklasse betroffen, kurz darauf die ganze Schule. Und fast alle hatte es schlimmer erwischt als mich. Das erste Mal bekam ich eine Ahnung von schlechtem Gewissen. Gestorben ist aber niemand, bei Corona ist das hingegen ungewiß. Auch die Spätfolgen einer Corona-Infektion sind jetzt noch nicht abzusehen – klar ist aber schon, dass viele Patienten nach über 70 Tagen immer noch nicht am normalen Alltag teilnehmen können.
Es ist unsere Pflicht als Mensch, die seltsame Phase zwischen Geburt und Tod mit Sinn zu füllen. Ein einzelner Atemzug kann schon viel dazu beitragen. Das Höchste ist aber wohl, anderen Lebewesen zu dienen und der Gemeinschaft nützlich zu sein. Wem das nicht gelingt, der sollte sich aber nicht klein fühlen – auch ein Mehr an Schaden zu vermeiden, ist schon eine Leistung.
Die Maßnahmen gegen Corona scheinen bei den wirren, diffusen Menschenansammlungen gar nicht im Zentrum zu stehen. Ein paar finden die Maske unbequem, vielleicht auch unnütz, weil die eigenen Erreger wieder eingeatmet werden – wo sie sich doch besser in der Gemeinschaft verteilen lassen könnten. Zu finden sind aber auch solche, die unsere Bundeskanzlerin für eine Satanistin halten. Solche, die Mitarbeiter von Unicef, die sich weltweit gegen den Hunger von Kinder einsetzen, für Kindesbluttrinker halten. Krieger des Lichts neben Gottberufenen, 5G-Gegner, Erwachten und Bill-Gates-Hasser. Jedes Grüppchen allein wäre zu unbedeutend. Für vermeintlich mehr Bedeutung nehmen viele ihrer Anhänger in Kauf, unter der Fahne der Nationalsozialisten zu laufen. Wirre Reden peitschen sogar dazu auf, den Reichstag zu stürmen. Beim Vordringen auf die Reichstagstreppe war natürlich nicht jeder dabei – und mancher beruft sich darauf, in reiner Liebe gehandelt zu haben. Worauf die Liebe sich bezieht, steht wiederum in den Sternen. Darunter mischt sich dann auch ein Teil der Yogaszene. Die Yogaszene kokettiert gerne mit dem Erwachtsein, was schlichtweg einfach nur ein Dagegensein ist. Mit Erwachtsein stellt man sich ein paar Stufen über die, die eigentlich mit den Maßnahmen einverstanden sind und verspottet sie als Nichtdenker.
Das Wort „Yoga“ bedeutet „sich verbinden“. Sicher nicht zuletzt mit sich selbst – aber man muss auch immer wieder da raus gehen, sich mit der Gemeinschaft verbinden und zumindest versuchen, dieser zu dienen. Yoga kann nicht nur einer Blase passieren. Konzentriert man sich zu sehr darauf, sich von seinem Ego zu lösen, passiert hundertprozentig das Gegenteil. Gerade als Yogi ist Ahimsa einer der wichtigsten Grundsätze. Ahimsa, die Gewaltfreiheit! Oft praktiziert, indem wir keine Tiere leiden lassen und diese als Geschöpfe mit Herz und Seele anerkennen. Aber auch innerhalb der Spezies Mensch sollten wir das Prinzip untereinander anwenden: den anderen unversehrt lassen. Ein guter Lehrer im Yoga stülpt nicht seine Meinung über, sondern bereitet allenfalls den Weg des Schülers vor und reicht ihm Werkzeuge an. Dieser Weg kann dann nur durch Selbstreflektion begangen werden. Im Yoga reicht es nicht, Unrecht mit Gleichgültigkeit wegzuatmen oder wegzumeditieren. Yoga ist auch Aktivismus, sich unbedingt einzusetzen für Schwächere – insbesondere wenn sich die Menge mit Nazis vermischt. Um nochmal daran zu erinnern: vor nicht allzu langer Zeit haben wir Menschen mitten unter uns enteignet, gequält, in Arbeitslager gezwungen und vergast. Nie wieder! Ein Yogi, der mit Rechtsradikalen mitläuft, ist kein Yogi!
Warum ist die Yogaszene so sehr betroffen, vor allem bei den Verschwörungstheorien? Einen Teil des eigenen Freundeskreises erkenne ich nicht mehr. Im Yoga arbeiten wir gerne über alles Sicht- und Greifbare hinaus, auch jenseits der etablierten Wissenschaften. Wir arbeiten vorwiegend mit Energien. Wie ein Christkind freue ich mich immer, wenn das, was seit Jahrtausenden gelehrt worden ist, dann auch von der Wissenschaft bestätigt wird. Allerdings beobachte ich auch unter Yogis mittlerweile den gleichen Wettbewerb wie unter den „Erwachten“: Je abgefahrener man in seine Denkabgründe abdriftet, als umso höher stellt manch einer seine Energien dar. Dem Gegenüber wird das Gefühl vermittelt „ach so weit bist Du noch nicht“. So kommt man schnell in den Bereich der Verschwörungstheorien. Dies gilt mittlerweile doch für gar nicht wenige – und ich warte darauf, dass endlich ein Mensch hervorspringt mit einem Schild „Verstehen Sie Spaß?“.
Es ist aber todernst, und ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Bei manch einem muss man wohl ganz von vorne anfangen und belegen, dass die Erde keine Scheibe ist. Bei vielen Verschwörungstheoretikern ist jedoch gar kein Durchdringen mehr möglich. Durch alle Gesellschaftsschichten zieht sich dieses Phänomen, gerade die Bildungsschicht vorneweg. Eine interessante Erklärung: die Angst nimmt dermaßen überhand, dass etwas in unserem Gehirn aussetzt. Vor den Fängen des Säbelzahntigers blieb unseren Vorfahren eine kleine Chance, wenn sie davonliefen – das war dann die bessere Option als das Nichtstun. Also schnürt uns die Angst die Vernunft ab, Botenstoffe werden ausgesendet. Dagegen zu sein, ist die moderne Art der Flucht. Hauptsache, man tut etwas. Zudem fällt es auch dann leichter, einen Schuldigen ausfindig zu machen. Wenn der erst mal nicht mehr da ist, wird bestimmt alles besser.
Vielleicht wäre es jetzt mal ganz gut, über Ängste zu sprechen. Davon gibt es ja manche, die nicht nur natürlich, sondern auch durchaus berechtigt sind – und schon lange vor Corona da waren. Reflektierte und verstandene Ängste können zu ganz neuen Ufern führen. Lasst uns die Energie bündeln, wie wir unseren Kindern trotz Corona Gemeinschaftsgefühl vermitteln, wie wir bezahlbaren Wohnraum erhalten können, wie wir sorglos alt werden und wie wir die Kulturszene unterstützen können. Darüber hinaus gibt es unendlich viele Gründe, auf eine Demonstration zu gehen. Immer noch müssen Menschen vor Krieg, Hunger und Klimakatastrophen fliehen. Immer noch leiden Tiere in engen Käfigen für unsere doch kurze Befriedigung. Ein Artensterben wie es noch nie in diesem Ausmaß stattfand, bedroht unseren Planeten. Und noch so viel mehr. Begehrt auf für unsere einzige Lebensgrundlage, die Natur!
Solange etwas zu unserem Schutz dient und für das Leben ist, darf man doch gerne dafür sein. Bei Gruppierungen, die gegen Leben sind: Finger weg! Und auch, wenn das eigentlich total selbstverständlich ist: Nazis raus!