Eine Blüte geht im Kessel auf – das Yoga Loft Süd
Neuigkeiten aus Stuttgart? Wohl kaum in diesen Zeiten … mag man denken! All meine lieb gewonnen Yogastudios konnten bis jetzt bestehen bleiben – das sind doch schon mal mehr gute Neuigkeiten als vielleicht erwartet. Hinter den Kulissen sind sicher viele Tränen der Verzweiflung geflossen, und Existenzängste nehmen auch nach wie vor viel Platz ein. Pläne und Veranstaltungen mussten verschoben werden oder zerfielen wie Sandburgen unter dem Zahn der Zeit. In einer Welt, die scheinbar zum Stillstand gekommen ist, erblüht aber doch hin und wieder ein Lotusblüte und strahlt dann um so heller.
Britta Volker, erfahrene und langjährige Yogalehrerin – wenn ich ihre Yoga-Ausbildungen und Fortbildungen durchlese, bräuchte ich wohl so viele Hände wie die Göttin Kali, um diese an den Fingern abzuzählen – betreibt schon seit 13 Jahren das Yoga Loft in Waiblingen und ist Mitinhaberin des Yoga Lofts in Stuttgart West. Beides feste Institutionen unter den Yogastudios.
Jetzt sprachen noch viele Gründe dafür, einen Yoga Loft in Stuttgart Süd zu eröffnen. Viele Gründe – aber dann lauerte Corona wie der Bösewicht im Film hinter der Hauswand, und alle warfen sich erstmal in Schutzhaltung auf den Boden. Am Samstag, den 14. März 2020 sollte im Yoga Loft Süd die Eröffnungsparty steigen. An diesem Tag sollte jeder sehen, wie viel Arbeit und Umbaumaßnahmen in diesem Yogastudio steckten. Geeignete Flächen in Stuttgart zu finden ist ja schon die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Dann alles noch yogagerecht auszumalen und in die Tat umzusetzen, ist schon die höheren Kunst. Die Liste der To-Do-Punkte beim Einrichten eines Yogastudios ist lang: Von der Wandfarbe, auf der Handstände keine Fußabdrücke hinterlassen, über eventuell notwendige Maßnahmen gegen den Frittenduft aus der benachbarten Gastro-Küche bis hin zu einer belastbaren Wirtschaftlichkeitsberechnung.
In der Nacht zum 14. März gab das Land Baden-Württemberg den Lockdown für Fitnessbetriebe bekannt, zu denen auch Yogastudios gehören. Ich selbst könnte mich ja allein in der Philosophie verlieren – aber in der Mehrheit verstehen wir Yoga vor allem als Asana-Praxis, vielleicht ergänzt durch die einen oder andere Pranyama-Übung und das Chanten von Mantras. Alles dies, was ansonsten Geist und Immunsystem stärkt, könnte nun plötzlich zum Ansteckungsherd für einen Virus werden. Die Einweihungsparty musste binnen Stunden abgesagt werden.
Zieht man sich die Schuhe eines Yogastudio-Besitzers an, sind diese die unbequemsten Schuhe der Welt. Rechnen mit mehr als zwei Unbekannten! Ohne eine Idee, wie lange der Lockdown gehen wird, ohne dass der Vermieter so gnädig wäre, die Miete zu reduzieren. Und für neue Studios kommt hinzu, dass man sich noch nicht einmal eine Stammkundschaft aufgebaut hätte. Ein Abwärtstrudeln im Sog! Wie ein Blatt im Wind und ohne die Chance zu haben, des eigenen Glückes Schmied zu sein. Britta reagierte mit nicht mehr als einem Achselzucken. Soviel Coolness und Nonchalance besitzt wahrlich nicht jeder! Ohne zu wissen, wie lange sie andauern würde, nutze Britta die Zeit des Lockdowns, um sich eine Verschnaufpause zu gönnen und jetzt noch die letzten Details im neuen Studio zum Abschluss zu bringen und zu verbessern.
Und wer weiß, vielleicht ist es den Optimisten wie Britta zu verdanken, dass die Yogastudios im Juni wieder öffnen durften – unter strengen Auflagen, aber immerhin. Auch nicht in dem Maße, dass es sich wirtschaftlich rechnen konnte, aber so, dass der Umgang mit dem neuartigen Virus konservativ war. Mit einer Mischkalkulation aus Online- und Live-Klassen, war sogar für manche Yogastudios eine neue Perspektive entstanden. Bei Online-Klassen fanden sich Menschen zusammen, die sonst keine Zeit gehabt hätten, mobil gehandicapt waren oder sogar aus fernen Städten und Ländern dazu kamen.
Das neue Studio im Süden habe ich mir jedoch für einen Livebesuch aufgehoben. Es ist immer schwer, einen Anfang zu machen angesichts einer Woche, die leider nur aus sieben Tagen besteht. Und schweren Herzens muss oft eine andere Stunde dafür geopfert werden. So sehr wir alle göttlich sind, so wenig sind wir Götter – und können deshalb leider nicht mehrere Avatare von uns in die Yogastunden senden.
Der Stuttgarter Süden ist für ein Ankommen mit der Auto-Konservenbüchse mal so gar nicht ausgerichtet. Eher hat man einen Sechser im Lotto als einen Parkplatz in dieser Gegend! Wenn man aber einen Stadtbummel mit einkalkuliert, kann man sich einen richtigen Event-Tag gönnen. Und öffentliche Verkehrsmittel steuern natürlich auch die nähere Umgebung an. Die größte Zielgruppe wohnt wohl ohnehin fußläufig zum Yoga Loft Süd. Einen Großteil der Yogis erkennt man an den zahllosen, wunderschön gestalteten Balkonen und Hinterhöfen, wo jedes noch so kleine Pflänzchen mit Liebe gepflegt wird. Das war früher noch nicht so, für eine charmante Hinterhof-Idylle musste man bis nach Italien reisen. Die Zeiten werden also nicht unbedingt schlechter – Lebewesen in allen Formen bekommen einen immer höheren Stellenwert. Yoga ist wie gesagt eine Lebenseinstellung und geht weit über die Asana-Praxis hinaus. Allen soll es gut gehen, auch den Schwächsten, auch allen Vierbeinern, allen die Flügel und Flossen haben, allen, die unsere Luft zum Atmen produzieren.
Mein Spaziergang durch den Stuttgarter Süden war auf jeden Fall lohnenswert, und je mehr ich mich dem Yogastudio näherte, umso häufiger fand ich auch Verweis-Pfeile zu meinem Ziel. Ich war auf dem richtigen Pfad! Der richtige Pfad spielt im Yoga eine wichtige Rolle. Ein Abkommen vom Weg und sich auch mal andere Sachen anzuschauen sind genauso wichtig, wenn nicht sogar bereichernder als sich wie ein Eisbrecher den Weg zu bahnen. Das Leben auf sich wirken zu lassen, solle in einem ausgewogenen Verhältnis zum Verfolgen seiner Ziele stehen. Zumal wir Glück doch immer nur im Hier und Jetzt erfahren.
In unserem Alltag lauern viele Gelegenheiten, mit unbewusstem Verhalten Schaden anzurichten und dies auch kaum vermeiden zu können. Sich dennoch wenigstens zu bemühen, mehr Bewusstsein zu investieren und dem auch Taten folgen zu lassen, ist die Annäherung an den richtigen Pfad – auch auf Abwegen. Auch dieses Ziel lässt sich am besten auf kleinen Etappen herunterbrechen. So klein, dass Momente daraus werden, die das Hier und Jetzt ergeben.
Außer den Wegweiser-Pfeilen gab es noch Menschen mit Yogamatten unter dem Arm, die mir den Weg verrieten. Erst neulich ist mir aufgefallen, dass ich viel öfter auf der Straße angelächelt werde, wenn ich eine Yogamatte über der Schulter trage. Im Umkehrschluss denke auch ich bei Yogamatten-Sichtung, „dieser Mensch ist mit den Yamas vertraut“ – den Verhaltensregeln gegenüber unserer Umwelt. Yogamatten und Hunde sind also die Aushängeschilder für „Achtung, netter Mensch“ – Pfeile und Yogamatten führten mich in Stuttgarts Hinterhof-Idylle.
Aus dem Erdgeschoss kam ein warmes Licht heraus, und erste Yogis sortierten sich dort für ihre Yogaklasse. Ein Gefühl als ob sich eine graue Wolkendecke am Himmel verzieht und das warme Licht der Sonne direkt ins Herz strahlt. Als ob man sich durch den grauen, nassen Schnee entlang einer Fahrbahn gekämpft hätte, und plötzlich vor dem schönsten und funkelndsten Weihnachtsbaum der Welt steht. Ich wärmte mir an diesem Anblick mein Herz. Meine Stunde sollte auf der zweiten Ebene stattfinden, der Skyebene. Das Yoga Loft Süd verfügt über zwei Ebenen, und beide haben einen separaten Eingang. Das bedeutet zwar, dass auch auf jeder Ebene ein Check-In-Schalter ist – aber gerade das kommt in den Zeiten von Corona wie gerufen: Zwei parallel stattfindende Klassen kommen sich nicht ins Gehege.
Meine Lehrerin Anna-Mareike kam auch schon bald, und mit ihr konnte ich nun auch den Yogaraum auf der Skyebene in Augenschein nehmen. Mein Herz hüpte: alles strahlend, lichtdurchflutet, weiß und doch nicht kalt sondern behaglich. Mein Stimmungsleben hängt viel von Farben ab. Mit Weiß fühle ich mich weit und vogelfrei.
Dank der zwei Etagen ist das Spektrum an Yogakursen auch entsprechend vielfältig: Anfänger, Yin, Hatha, Anusara, Relax-Klassen, … In meinem Fall ist es aber vor allem Jivamukti, das mich immer wieder aufs Neue begeistert. Was Anna-Mareike auch erzählt, ich lerne dabei und sauge es auf wie ein Schwamm. Bei wenigen anderen Menschen merkt man so deutlich, wie willkommen ein reger Austausch ist. Anna-Mareike stülpt keine Meinungen über, gibt nicht das Gefühl, die Dinge besser zu wissen, sondern zeigt neue Perspektiven auf. Was Yogaphilosophie angeht, steckt kaum jemand tiefer in der Lektüre oder sogar im Studium des Sanskrits an der Oxford-Universität als sie. Wenn sich die Beschreibung zu Anna-Mareike jetzt so anhört als ob sie ein Keller-Nerd sei, dann könnte man sich nicht mehr täuschen. Sie ist voll mit ihren Mitmenschen verbunden.
Es lohnt sich, sowohl Anna-Mareike als Lehrerin zu haben, also auch das Yoga Loft Süd als neue Location zu entdecken. Ich wünsche jedem seine persönliche Einweihungsfeier dort. Natürlich sind auch die anderen Lehrer im Yoga Loft Süd hinreißend!
Auf Instagram findet man Anna-Mareike unter dem Namen „nanamareike“ und „the_urban_om“. Außerdem gibt es dort an jedem ersten Sonntag im Monat einen Podcast von ihr und ihrer Jivimukti-Kollegin Kathi („its.just.kathi“) – zu finden über „Yoga Studio Fox“. Thema des Podcasts ist immer der „focus of the month“, kurz FoM, der monatlich von Jivamukti festgelegt wird. Ich liebe es.