Am Paul-Lincke-Ufer des Landwehr-Kanals saß ich und weinte …
… vor Glück!
(Frei nach dem Titel von Paulo Coehlo: „Am Ufer des Rio Piedro saß ich und weinte“)
Im September 2016 war ich auf Ausflug in Berlin und hatte mich mit meiner soeben erstandenen Reiseyogamatte bewaffnet, um sämtliche Yogastudios der Hauptstadt auszuprobieren.
In anderen Städten kann man sich immer viel hemmungsloser bewegen als zu Hause – es kennt einen schließlich niemand. Jivamukti hatte ich als Wort schon mal aufgeschnappt, aber konnte es keinem Yogastil zuordnen, geschweige denn hätte ich mich damit befasst. Mich plagt regelrecht eine Torschlußpanik, etwas nicht auszuprobiert haben, bevor man stirbt.
Die Homepage von Peace Yoga Berlin fand ich ganz übersichtlich, was zur Folge hatte, dass ich mir dort eine Stunde ausgesucht habe. Was mich dann erwartete, werde ich nie vergessen. Moritz Ulrich war der Name des Lehrers, und er begann mit Mantras. Seine Stimme überzeugte und ich war im Bann. Die Asanas wurden dann mit elektronischer Musik unterlegt. (Gerne würde ich sagen, dass die Beats aus dem Berghain kommen, aber ich war noch nie da. Die Angst, vom Türsteher abgewiesen zu werden, weil man den Anforderungen der Zielgruppe nicht entspricht, die Jeanshose nicht die richtige Marke hat, die Oberschenkel zu dick sind o. ä., ist einfach zu groß … und so auch gepflegt seit dem ersten discofähigen Alter in jungen Jahren) . Das kannte ich so auch nicht, wurde doch in den meisten Yogastunden Stille und das „Bei-sich-sein“ gepflegt. Die Asanas waren kraftvoll, flott und haben mich schnell an mein körperliches Limit gebracht. Die Musik hat mich jedoch getragen und der Schlag meine Pulses war im Takt. Philosophie wurde auch in die Stunde eingebaut, und beendet wurde die Yogaeinheit wieder mit Mantras. Alles war so neu. Mein Herz schlug bis zum Hals und mein Körper war durchflutet. Und so musste ich mich im Anschluss an die Stunde an das fußläufige Paul-Lincke-Ufer setzen und meinen Glückstränen freien Lauf lassen.
Jede Yogastunde, egal welchen Stils, bereichert mich, und ist so viel besser als kein Yoga. Und die Philosophie des Jivamukti-Yogastils habe ich erst an der Oberfläche angekratzt – aber alle Kanäle und Schleusen sind bei mir freudig auf Empfang geöffnet.
Jivamukti bedeutet „befreite Seele“ – dieser Yogastil wurde 1984 von Sharon Gannon und David Life ins Leben gerufen mit dem Hintergrund der Rückbesinnung auf die Ursprünge des Yogas und das Wiedervorholen alter Schriften. Mitten in New York City! Und nach langer Zeit war Yoga nicht einfach nur Konkurrenz zu Aerobic und zum Erhalten der Fitness gedacht. Jivamukti basiert auf fünf Säulen, und diese spiegeln sich in jeder Unterrichtseinheit wider: ahimsa (Gewaltlosikeit), bhakti (Hingabe), nadma (Musik und hier kann der Yogalehrer sein Talent als DJ beweisen), shastra (Studium der Ursprungsliteratur wie der Yoga Sutra, Bhagavad Gita oder Hatha Yoga Pradipika) und dhyana (Meditation). Für mich ein unabdingbares Lockmittel ist der „focus of the month“: jeden Monat gibt es ein wechselndes Thema, welches in jeder Jivamukti-Stunde durchleuchtet wird, und für jeden gibt es genug Spielraum zur eigenen Interpretation!
In Stuttgart selbst bin ich in der glücklichen Lage, zwei passionierte und hingebungsvolle Jivamukti-Lehrerinnen zu kennen, sodass ich nicht jede Woche nach Berlin oder gar New York pendeln muss ;-)!
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