Workshop Girl at Yoga13
Falls es noch keiner mitbekommen hat, ich bin ein Kesselmädchen, also: Stuttgart ist mein Revier. Und ich liebe meine Stadt (auch wenn ich mir ein paar Innovationen etwas schneller herbeisehne).
Ich habe zwar ein festes Stamm-Yogastudio, aber wie die Raupe Nimmersatt fresse ich mich durch alle Yoga-Angebote, und meine Wiese wird immer bunter. Also, statt wie anfänglich überlegt, ein Studio außerhalb meiner regulären Mitgliedschaft auf die Kategorie „flying carpet“ zu setzen, bin ich jetzt so besitzergreifend und betrachte alle Yogastudios im Kessel als meins. Da Stuttgart vor allem aus Vororten besteht, gehören diese natürlich auch dazu – selbst wenn deren Autokennzeichen vorgeben, ein eigenständiger Ort zu sein.
Heute das Yoga13 am Marienplatz. 13 ist meine Lieblingszahl, da ich die Gnade erfahren durfte an einem Freitag, den 13ten, zu heiraten – und zwar den besten Mann der Welt. Das Yogastudio hat sich allerdings wegen seiner Hausnummer so benannt. Meine Eindrücke von dort sind taufrisch, da ich letztes Wochenende einen Quadratmeter mit meiner Matte dort belegt hatte. Die Stockwerke nach oben habe ich nicht gezählt. Beruhigend ist, dass es nicht ganz 13 sind. Aber eine kleine Anstrengung ist doch unumgänglich und vor allem auch ein Novum – kommt man doch heutzutage in alle Studios, die körperliche Ertüchtigung anbieten, mit dem Aufzug hoch (finde den Fehler). Ein Segen, dass ich mir mühevolles Umkleiden ersparen kann: sich in enge Yogaleggings zu zwängen kann auch schon relativ kraftzehrend sein. Yogapants sind im Stadtbild mittlerweile etabliert, und so komme ich bereits yoga-gekleidet in meine Stunden. Morgens einmal die Yogaleggings angezogen, bleibt mir diese oft bis zum Abend auf der Couch treu. Ich glaube sogar, dass die Yogahose die Jeanshose an Beliebtheit abgelöst hat. So zumindest die Quelle meiner Yoga-Quizkärtchen, die ich zum Geburtstag bekommen habe (nicht besonders tiefsinnig, aber Mundwinkel-nach-oben-treibend) und an deren Antworten ich mit schuldig bin. Außer Yogaleggings existieren für mich auch kaum mehr andere Kleidungsstücke.
Aber zurück zum Thema. Oben im Studio angekommen, möchte man am liebsten sofort darum bitten, dort einziehen zu dürfen. Offene Holzbalken erinneren an einen Finca-Urlaub, der Raum wird lichtdurchflutet, und im Stuttgarter Süden am Marienplatz scheint das Licht besonders warm durch die Hinterhofidylle. Bei jedem meiner Besuche im Yoga13 konnte ich ein neues, mit Liebe gestaltetes Detail entdecken. Fröhliche bunte Bauernblumen stehen in verschiedensten Ecken des Studios. Jede Depression löst sich augenblicklich in Luft auf, sollte man diese noch in seinem Herzen getragen haben. Und ist ein Yogastudio dermaßen schön, wird es auch noch von enthusiastischen Menschen von ganzem Herzen betrieben und bietet zudem noch tolle Workshops an, wird es natürlich im Nu zu klein. Aber ich wünsche es mir kein bisschen anders.
Ja, und zu Workshops im Yoga13 melde ich mich liebend gerne an. Der erste, den ich im Frühjahr diesen Jahres besucht habe, handelte von Überkopfstellungen. Noch vollkommen vernebelt von dem bezaubernden Ambiente habe ich kurz vor Beginn der Stunde plötzlich panisch festgestellt, dass nicht eine gerade Wand unter den Dachschrägen auffindbar war, an der ich meinen Handstand hätte ausführen können. (Zum Verdruss sämtlicher Studiobesitzer bin ich immer die erste Yogini, die ihre Matte ausrollt – ich brauche die Zeit zum Akklimatisieren, und schätze die freie Platzwahl – auch nahe einem möglichen Fluchtweg). So ein Yogalehrer hat schon einiges auf dem Kasten, und die Trickkiste scheint tief zu sein. In meinem Glücksfall hatte diesen Workshop Olga Oskarbina gegeben. Ein Engel! Ich durfte sie schon ein paar Wochen zuvor in Barcelona, wo sie ihr eigenes Jivamukti-Studio betreibt, kennen und schätzen lernen. Ich wüsste aber auch nicht, wann mich jemals ein Jivamuktilehrer enttäuscht hat. Olga hat es gemeistert, dass wir alle im Handstand waren – ganz ohne Wand.
Mein zweiter Workshop im Yoga13 fand erst letztes Wochenende statt. „Chris Chavez“ hatte ich gebucht – einfach, weil mir gesagt worden war, dass ich ihn unbedingt erleben muss. Bei mir stellt sich ja immer eine sofortige Torschlusspanik ein, wenn mir gesagt wird, „jetzt oder nie“. Und dann springe ich halt im Zweifel lieber, bevor mir ein Abenteuer durch die Lappen geht. Nach der Anmeldung bei Chris Chavez ereilte mich sofort wieder Panik. Auf den sozialen Kanälen konnte ich feststellen, dass sich ausschließlich Yogalehrer angemeldet haben. Und ich, der T-Rex mit den zu kurzen Armen und der bemühten Vorbeuge, mal wieder mittendrin. Habe ich mich da doch etwas übernommen? Mir war wieder nach Abmelden, aber sowohl die Torschlusspanik als auch der befürchtete Abenteuerverlust sind doch noch zu etwas nützlich: Ich war dabei! Und ich bereue es nicht. In der Umkleidekabine (also nur zum Tasche abstellen, da ja schon passend bekleidet), inmitten des ganzen Weiberhaufens, durfte ich nochmals hautnah mitbekommen, wie berühmt der Chris Chavez wohl sein muss, und dass manche doch tatsächlich schon Jahre warten, dass er im süddeutschen Raum mal einen Workshop gibt.
Und dann war er da, und entgegen meiner Erwartung war sofort das Eis gebrochen. Freundlich, witzig und vor allem nahbar. Die ersten Flows zum Warmwerden waren nicht unanstrengend, aber machbar. Nur: wer wurde wieder als allererste zurechtgewiesen, das Knie doch besser auszurichten? Ich! Für einen Bruchteil einer Millisekunde überlegte ich mir, ob ich der Versuchung nachgebe, mich heulend auf die Matte zu werfen. Und mir wurde wieder bewusst: das waren ja alles Yogalehrer um mich herum. Und noch während ich diese Überlegungen anstellte, stand Chris Chavez neben mir und hat mich einfach in die Position richtiggezogen und aufgefächert, sodass mein Herz sich noch weiter dem Himmel und ungeahnten Höhen entgegenstrecken konnte! Ab jetzt hätte ich am liebsten absichtlich alles verkehrt gemacht, um das lebendig gewordene Korsett Chris Chavez um mich rum zu haben. Der kleine Yogi in mir teilte mir jedoch pflichtbewusst mit, dass ich ja nicht immer besitzergreifend handeln darf, und Teilen ja auch ganz schön sein kann.
Die anderen Teilnehmer waren ja auch wirklich nett (das scheint der Beruf des Yogalehrers so mit sich zu bringen). Also habe ich mir wieder Mühe gegeben, meine Asanas richtig auszuführen. So habe ich ein erfülltes Wochenende erlebt – einen Tag mit Armbalancen, und den nächsten Tag mit Rückwärtsbeugen. Eine der Aussagen von Chris, der sein Studio übrigens in Istanbul betreibt, war „zum Kern selbst vorzudringen“. Wir sind selbst eine harte Nuss und von vielen Schalen umgeben. Unser Selbst ist weder unser Körper noch eine Reflektion im Spiegel, und nicht mal unsere Gedanken. Wir können uns auf den Weg machen und Schale um Schale knacken, um zum Kern vorzudringen. Eine Methode (und ich finde sie sehr effektiv, beziehungsweise bekomme eine Idee davon, was gemeint sein könnte) ist, Asanas zu halten, die uns Grenzen aufzeigen. Grenzen wie die Schale sind dazu da, niedergebrannt und niedergeschmettert zu werden. (Schön wenn man von seinem Mikrokosmos auch direkt auf große Politik schliessen kann.) Die Anstrengung entfacht das Feuer (Agni) in uns und brennt Grenzen und Widerstände nieder. So können wir Transformation erfahren.
Ich denke, ich habe mir mit diesem Besuch ein sehr schönes Geschenk bereitet.
Om asatoma sat gamaya
Führe uns vom Unwirklichen zur Wahrheit,
von der Dunkelheit zum Licht,
von der Sterblichkeit zum ewigen Leben
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