Mattenregeln oder bei Frau Monk läuft was quer
Bei meinen letzten Themen versuchte ich, fast den Meeresgrund zu erreichen. Zum Ausgleich bade ich dieses Mal in seichten Gewässern. Aber wehe dem, der sich deshalb angesichts meines heutigen Thema über mich lustig macht! Vielleicht bin ich etwas hypersensibel – das weibliche Pendant zu Mr. Monk.
Es geht um Regeln. Wahrscheinlich gibt es sogar mehr davon als ich aufzählen werde, aber die folgenden queren doch vehement und gehäuft meinen Pfad.
Da fange ich mal direkt in der Umkleidekabine an: wer hat sich noch nicht in einer Wolke aus künstlichen Duftstoffen bis zu seinem Spind vorkämpfen müssen? Deo-Spray diffundiert noch in weiten Radien und zieht kreisförmig Bahnen jenseits von dem eigentlich zu treffendem Ziel, der Achselhöhle. So eine Achselhöhle würde ich auf unter zehn Zentimeter Radius schätzen. Jeder Deostick oder Deoroller wäre treffsicherer und effizienter. Aber nein, man muss seiner Mitmenschheit zeigen und laut mitteilen, welch Sauberfrau beziehungsweise -mann vor einem steht, dass man sehr wohl im Stande sich zu pflegen und ein wohl ordentlicher Mitbürger ist. Die Sprühwolke ist das XXL-Werbebanner für den adretten, sagrotan-reinen Zeitgenossen. Die Kehrwoche (Ihr erinnert Euch, ich bin im Schwabenland beheimatet) wird ja auch am liebsten lautstark verrichtet. Wenn die restliche Hausgemeinschaft aus der Kirche oder vom Brunch kommt, wird mit Eimern und Besen geklappert, was das Zeug hält. Hauptsache laut. Mit Sauberkeit und Pflege hat das nicht viel zu tun, genauso wenig wie die Nebelschwaden der Sprühdose, deren Inhalt Gestanksmoleküle aus dem Chemielabor sind. Das wäre nicht so schlimm, wenn man nicht genötigt wäre, die Chemie zu inhalieren. Lange glaubte ich, dass ich durch das Aufhören vom Rauchen etwas überempfindlich geworden wäre, aber es geht auch anderen so. Hustenreize, Delirium und Ohnmachtsanfälle folgen. Leider werden meine lautstarken, protestierenden Hustenanfälle nicht wahrgenommen, aber ich kann nur zurückgeben, dass auch nie eine junge, frische Fa der „Duft“-Wolke entspringt. Ein Pflegeverächter bin ich wahrlich nicht, es gibt herrliche Duschgels, Deosticks, Bodylotions, Öle und Fußcremes. Stundenlang könnte ich mich an Düften aus der Natur berauschen. Aber Sprays und Parfüms haben in Räumen, die geteilt werden, nichts zu suchen.
Mein zweiter Punkt ist wohl mein ureigenstes Problem, trotzdem teile ich es mal mit – in der Hoffnung, dass ich mal wieder nicht allein damit auf der Welt bin. Womöglich sensibilisiere ich noch weitere Opfer. Es ist ja löblich, dass etliche Damen, die pflichtgetreu einer Büroarbeit nachgehen, sich noch zur körperlichen Ertüchtigung aufraffen. Sitzen ist schließlich das neue Rauchen, und der Mensch ist nun mal für Bewegung konstruiert worden. Zwischen Bürostuhl und körperlicher Betätigung begegnet man sich wieder einmal in der Umkleidekabine. Die Büroschuhe werden meist vor dem Spind plaziert. Und was muss ich in den Schuhen erblicken: Strümpfe aus Nylon! Hautfarben, faltig und schlaff ergießen sie sich aus dem Schuhschaft. Gebrauchte Kondome kommen mir in den Sinn! Den Sekundenbruchteil dieses Anblickes würde man gerne doch wieder tief vergraben und vergessen … es sind leider diese Bilder, die sich für die Ewigkeit ins Gedächtnis einbrennen.
Ab mit der kompletten Kleidung in den Spind!
Aber es geht vorwärts. Nach der Umkleidekabine gabelt sich der Weg entweder zum Sport oder zum Yoga. Für den Yogaraum gilt: barfuß. Sogar Birkenstocks, Crocs und Flipflops gelten als Schuhe – das mag die Büroverordnung anders sehen, ist aber so. Und was mir privat die Haare zu Berge stehen lässt: wenn bereits auf einer Einladung von Freunden steht, dass man sich doch bitte dicke Socken mitnehmen soll. Kleidung ist ein Hobby von mir. Und ich gebe mir doch so Mühe, dass zum Beispiel der Haargummi die Farbe des Tops trifft, genauso die Schuhe der Matchpartner zur Abendrobe sind. Sind die Schuhe beim Gastgeber unerwünscht, ist die restliche Garderobe eigentlich auch überflüssig. Eine prompte Absage erfolgt umgehend. Schließlich bin ich auch der Möglichkeit beraubt worden, mich als höflichen Gast zu präsentieren. Steht keine Aufforderung auf der Einladung, ist nämlich meine erste Frage noch im Türrahmen, ob ich die Schuhe ausziehen soll. Zurück zum Yoga: es hilft wohl nichts – immer wieder hört man Flipflops durch den Raum schlurfen. Da bleibt wohl keine Wahl als ein Schild „Barfußzone“ mit großen Lettern anzubringen. Barfuß passt zu Yogapants am besten.
Nächster Punkt: wozu machen wir Yoga? Um unsere Mitte zu finden, ausgeglichen zu sein, die unterschiedlichen Pole zu harmonisieren. Und wenn wir asymmetrische Asanas machen, dann bearbeiten wir umgehend die zweite Körperseite. Die schwächere Seite darf dabei länger bearbeitet werden. Das Wort „Yoga“ kommt sogar von Joch. Zwei Teile versuchen, Gleichschritt zu halten, gleich stark anzuziehen und auf gleicher Höhe zu sein. Jede Yogini und jeder Yogin darf beim Üben von Asanas Hilfsmittel verwenden, und das ist nicht verpönt (habe ich schon erwähnt, dass ich zu kurze Arme habe?). Auf so einem Block sitzt es sich auch hervorragend und aufrechter. Aber wenn wir doch uns nach jeder Yogastunde ausgeglichener fühlen, warum werden die Hilfsmittel dann kreuz und quer in die Ecke geräumt? Ein Bild der Verwüstung offenbart sich mir nach jeder Yogastunde. Oft stehe ich dann alleine da und versuche, wieder Symmetrie herzustellen. Also stapelt Frau Monk die Blöcke in Reih und Glied. Und wehe, es lacht jemand an dieser Stelle!
Was mir während der Yogastunden weiter auffällt: Trinkflaschen! Und jedes mal, wenn die Kohlensäure beim Öffnen einer Flasche nach oben zischt, bin ich verleitet, ein fröhliches „Prosit“ zu wünschen. So eine Yogastunde in westlichen Gefilden dauert zwischen 60 und 90 Minuten. Das ist ohne Flüssigkeitsaufnahme auszuhalten (es sei denn, Ihr seid der Lehrer und müsst Euch den Mund fusselig reden). Sinn und Zweck des Yoga ist unter vielem anderen, Hitze im Rumpf zu erzeugen. Mit nur einem Schluck erlischt dieses Feuer, und wir haben statt Yoga ein bisschen Gymnastik gemacht.
Den letzten Punkt richte ich unter anderem an mich selbst: im Yoga sind wir so pur wie möglich. Was ich neben meiner Matte erblicke: ein ganzer Schmuckladen. Habe ich das wirklich alles getragen? Und dann auch noch die Uhr! Wo doch dem Glücklichen keine Stunde schlägt. Wie kann man nur seine Uhr ausgerechnet zum Yogaunterricht mitnehmen? Hier kommt meine Ausrede: meine allerersten Plank-Positionen – gefühlte Stunden! So war die Uhr mein letzter Rettungsanker, um sicherzustellen, dass auch diese Zeit vorbei geht. Und nach jedem unliebsamen Asana erteilte mir die Uhr meinen Tapferkeitsorden. Niemals würde ich mich heute trauen, auch nur heimlich auf die Uhr zu blicken. Denn ein Yogalehrer sieht alles! Also sollte ich mich vollends von dieser Gewohnheit lösen. Gleich morgen fange ich an.
Write a Reply or Comment