Kati goes NYC
Des USA-Urlaubs zweiter Teil: mit dem Mietwagen in den Großstadt-Dschungel von New York City! Aufsteigender Dampf aus Kanaldeckeln, reges Treiben auf den Straßen, kulinarischer Reichtum in all den Restaurants und ein Aufeinenadertreffen von Nationen und Kulturen – Peace! Mein Hippie-Herz erwachte. Eine Hotelzimmer in der Upper Westside erwies sich als idealer Dreh- und Angelpunkt für sämtliche Unternehmungen. Aber eigentlich hätte ich auch nur auf dem Hotelzimmer bleiben und einfach nur aus dem Fenster blicken können – das machen schwäbische Frauen so! Man konnte auf herrliche Altbauten mit Wasserspeicher auf den Dächern blicken, verwoben mit kühler Betonatmosphäre. Abends fiel der Mondschein silbrig auf diese ganze Bautenlandschaft, und morgens bahnte sich der Sonnenaufgang gelb-rot seinen Weg durch die Straßenfluchten und spiegelte sich letztlich auf der weißen Hotelbettwäsche. Besser als Fernsehen. Aber man geht nun mal nicht nach NYC, um aus dem Hotelzimmer zu gucken. Wieder hatten wir ein Riesenglück mit dem Wetter, was allerdings auch einiges an kulturellem Programm hinten anstehen ließ. So verwirklichten sich weder ein Museumsbesuch noch eine Musicalvorstellung, und sämtliche vorher gemachte Pläne wurden über Bord geworfen. Nur für meine Yogapraxis habe ich mir täglich ein bis zwei Stunden genommen. Ich war ja schließlich auch gespannt, endlich den Unterschied zwischen deutschem und amerikanischem Yoga herauszufinden.
Und prompt wurde ich auch nach meiner Reise gefragt, „und, was ist jetzt der nächste Trend nach Yoga, der aus den USA zu uns schwappen wird?“ Für meine Leidenschaft „Yoga“ werde ich von meinem Umfeld – jedenfalls von denen, die noch nie Yoga probiert haben und mit Vorurteilen behaftet sind –, gerne belächelt. Aber was glücklich macht, hat ja letztendlich recht. Und auch das Alter bringt es so mit sich, nicht mehr jedem mehr gefallen zu wollen – wenn überhaupt noch jemanden außer sich selbst. Den Segen habe ich mir durch die unerwartete Begegnung inmitten der Millionenmetropole auf der Fifth Avenue geholt. Wie ein Zeichen kam mir eines meiner Idole entgegen: Mrs. Iris Apfel. Sie ist gar nicht zu übersehen mit ihrer übergroßen Brille und ihrer Bekleidung in allen leuchtenden Beerentönen. Eines der Zitate dieser großartigen Frau: „Es braucht Zeit und Mühe, um herauszufinden, wer man ist. Viele Menschen sind zu faul dazu, aber wenn man weiß, wer man ist und sich selbst kennt, ist man für alle möglichen wundervollen Erfahrungen offen. Dann ist man eine Person, und kein Lemming.“
Wenn ich jetzt sage, ich will so werden wie Iris Apfel, habe ich wohl genau am Ziel vorbeigeschossen. Was ich aber meine, ist dieses Freiheitsgefühl. Einfach unbeeindruckt von anderer Leute Meinung sein Ding durchziehen und seine Meinung vertreten. Es ist aus meiner Sicht alles erlaubt, solange es keinen Dritten verletzt. Beim Recherchieren über Iris Apfel sitze ich übrigens gerade über meinem Kamillentee da und entdecke, sie liebt auch Kamillentee. Vielleicht doch so viel an materialistischer Schnittmenge. Kamillentee ist flüssiger Sonnenschein!
Zurück zum Bekanntenkreis und was denn jetzt nach Yoga wohl käme. Vielleicht einfach noch mehr Yogastile und vielleicht mit der Tendenz, auch wieder ruhiger zu werden. Und natürlich gibt es mehr Yogatreibende als vor ein paar Jahren noch, und natürlich schießen Yogamagazine auf den Markt, und natürlich gibt es immer mehr, immer buntere Kleidung für Yogatreibende, sogar eigene Labels, und das eine, vielgetragene braun-orangene Batikshirt hat ausgedient. Die Goldader ist entdeckt, angebohrt und fängt an zu sprudeln. Aber sollte Yoga wirklich ein „Trend“ sein, gäbe es doch Schlimmeres oder Nutzloseres. Mittlerweile haben sich so viele Yogastile herauskristallisiert, dass für jeden etwas dabei ist. Und für jeden, der Yoga macht, ist diese Reise individuell – aber letztendlich ist man mit sich selbst konfrontiert. Und schließlich werde ich auch das Gefühl nicht los, dass es für jeden Menschen auf unseren Planeten ein individuell geschriebenes Kochbuch plus Ernährungsweise gibt (und wir sind überbevölkert). Keine DNA gleicht der anderen und für jeden gibt es ein Mittel, sich glücklich zu machen.
Sollten die USA Europa aber doch etwas voraus haben, ist der für mich erkennbare Unterschied, dass wesentlich mehr Männer in den Yogaklassen mitmachen. Und, oh Mann, sind die gut! Da musste ich in einer Klasse ja doch immer wieder zu dem grau melierten Herren neben mir schielen, der scheinbar mühelos alle Ansagen umsetzte. Aber eigentlich ist nicht das „Asana-gut-können“ das, was sexy ist, sondern die offene Einstellung zu Yoga und den Mut für Neues. Das sucht man bei Männern in unseren Gefilden lange. Es gibt sie, aber nicht so selbstverständlich oder noch nicht. Und auch manche Frauen haben Vorbehalte gegenüber Yoga, äußern sie aber nicht so laut und poltrig wie Männer.
In dem Dorf, in dem ich aufwuchs, waren die meisten Väter bei IBM beschäftigt. Diese zeichneten sich durch die Errungenschaft „Aktenkoffer“ und eine ausgeprägte Sportlust aus, meist in Gruppen. Ohne, dass ich Beweise dafür habe, ist sicherlich auch der Trimm-Dich-Pfad von IBMlern erfunden worden. Mein Vater war nicht bei der IBM angestellt, zu meinem damaligen Verdruss (es gab bei der IBM immer Familienfeste, und meine Freudinnen trugen immer den jeweiligen In-Artikel des Jahres als Geschenk nach Hause – vor allem auf das Kakteenhaus war ich neidisch!). Und ohne, dass ich einen Beweis dafür habe, sind doch diese damaligen jungen, amerikanisch gepägten IBMler die älteren Herren, die heute auf der Yoga-Matte angekommen sind. Man kann „Offensein“ also per Ausbildung erlernen. Ich bin mir sicher.
Vor meiner Abreise hatte ich mir eine To-Visit-Yogastudio-Liste angelegt. Geschafft habe ich es in gerade mal zwei Studios. Beide zu empfehlen! Das erste, www.nylovesyoga.com, war ein langer, schlauartiger Raum im Souterrain. Der Empfang war wirklich herzenswarm. Natürlich stand ich als Erste auf der Matte und hatte mir dadurch ein wirklich schönes Gespräch eingeheimst, mit der Besitzerin, MJ Watkins. Dass sie die Besitzerin ist, haben erst anschließende Nachforschungen ergeben. Sie sprach über die Jugenderlebnisse ihres Mannes, der eine Zeitlang in Deutschland stationiert war und sich einen Spaß daraus machte, Wappenauszeichnungen für seinen Spazierstock zu sammeln. Unterrichtet hat Yuliana Kim-Grant. Es war eine ganz bezaubernde Stunde. Und noch ein Tipp: gleich schräg gegenüber dem Yogastudio ist das Café Lalo (www.cafelalo.com). Großartig! Hier bekommt Ihr den besten Brunch aller Zeiten. Das Café ist aus dem Film „You’ve got Mail“ („E-Mail für Dich“) bekannt und hat seinen ganz eigenen Charme. Die Entscheidung bei der Kuchenauswahl kann etwas Zeit in Anspruch nehmen.
Mein zweites Studio (wie könnte es anders sein?) war: jivamuktiyoga.com. Gleich drei Mal innerhalb von vier Tagen war ich dort – bei den Ursprüngen meines Lieblings-Yogastils. Über die Yogalehrer muss ich mich nicht auslassen, man bekommt immer herausragendes Yoga. Jivamuktis haben einfach eine erstklassige Ausbildung, und man kann sich auf ein hohes Niveau verlassen. Natürlich bringen andere Yogastile auch herausragende Lehrer hervor, aber da Yogalehrer kein zertifizierter Beruf ist, kann die Qualität sogar innerhalb des gleichen Yogastils stark schwanken. Das New Yorker Jivamukti-Center hat jedenfalls zwei Übungsräume – der eine in indischem Pastellgrün gehalten, der zweite in Feuerrot. Die Deckenventilatoren und hohen Wände versetzen einen wirklich in das Ursprungsland des Yogas. Nur die Sirenen, die im Hintergrund hallen, erinnern an den Großstadtdschungel.
Das Studio ist so groß, dass es sogar eine eigene Wäscherei hat, und nach jeder Stunde kam sofort ein Mensch und hat das Studio ausgewischt. Ich werde die Warmherzigkeit der Dame nicht vergessen, als ich nach einem Handtuch fragte und sie es mir aus der Waschküche gereicht hat. Ein Yogalehrer muss ja auch nicht unbedingt im Lehrraum stehen, er kann einem aus der Waschküche mit breitem mexikanischen Lächeln entgegenkommen. Sollte jemand in die Lage kommen, das Jivamukti-Center in NYC aufzusuchen, wäre mein Tipp, keine eigene Matte mitzubringen. Das Studio verfügt über Leihmatten der Marke Jade. Dick, schwer und rutschfest. Das habe ich dann am letzten Tag herausgefunden (ich hoffe, Ihr überhört den verbitterten Unterton). Ich hatte meine rutschfeste Reisematte dabei. Diese passte auch prima in die Handtasche und wiegt nicht mehr als zwei Kilo. Aber nach der üblichen Laufkilometerzahl von circa fünfzehn Kilometern am Tag durch New York City hängen auch diese zwei Kilo wie Zentner an den Schultern.
Ahja, wenn ich eines Tages wieder nach NYC komme, wird sich wohl nicht viel ändern: ich werde wieder beide Studios aufsuchen. Aber vielleicht kommt doch noch eines dazu. Etwas vergessen zu haben, ist ja die beste Entschuldigung für eine Rückkehr.
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