Ornithologie im Yoga
Glückselig bleibe ich im Bett liegen. Was da durch mein Dachschrägenfenster dringt, darauf hatte ich schon fast nicht mehr zu hoffen gewagt: ein Stück blauer Himmel, ein Frühlingsduft und ein Sonnenstrahl, der auf meiner Nase kitzelt. Bleiernes Grau entweicht meinen Knochen, und alle Starrheit fängt an zu schmelzen. Da ist sie, die Lust am Leben! Nicht, dass sie nie da gewesen wäre, aber nun muss sie sich nicht mehr durchkämpfen – die Bahn ist frei.
Und auch mein fleißig einstudiertes Mantra vom Vorabend, dass ich am Morgen aufstehe mit „ich will noch, ich soll noch, ich muss noch …“ – hoffnungsfroh, so viel wie möglich effektiv und zielgerichtet erledigen zu können – verstummt, und nichts scheint so wichtig zu sein, wie genau diesen Moment zu genießen. Wie in dem Kinderbuch „Frederick, die Maus“ von Leo Lionni hatte ich mir für das Überleben in der kalten Jahreszeit schöne Worte und Erinnerungen an Licht, Wärme und Farben gebunkert. Das Lager war fast aufgezehrt, und die Sonnenstahlen erhellen nun den ganzen leer gewordenen, dunklen Raum und fangen wieder an, eine erste feine Schicht neu aufzubauen. Die weltweit schönste Melodie erklingt: in allen Tonlagen zwitschern Vögel in allen Größen und Farben von den Dächern und Bäumen. Kann es ein schöneres Konzert geben?! Stundenlang könnte ich es mir mittlerweile am Fensterbrett gemütlich machen und das Treiben beobachten – genau das was ich bei ein bis zwei Generation zuvor so argwöhnisch beäugt hatte und sogar eine gewisse Böswilligkeit unterstellt habe. Aber wer weiß, vielleicht wollte auch die Fensterbrett-Generation nur Blumen und Vögel studieren? Die Bandbreite meiner Freude-Ausrufe zu jedem gesichteten Vogel reicht jedenfalls von „oh, wie süß“ bis „ach, wie gerissen“. Alles ist vertreten.
Und so ist es auch im Yoga. Wie viele Asanas fallen mir ein, die einen Vogel repräsentieren? Die alten Yogis haben sich immer an den Rhythmus der Natur gehalten (wie es jede Weisen auf jedem Erdteil getan haben), diese studiert und sich als Vorbild genommen. Der innere Kreis der Ornithologen muss allerdings besonders einflussreich gewesen sein: die Klasse „Vogel“ ist unter allen Tier-Asanas am vielfältigsten im Yoga wiederzufinden.
Erinnert Ihr Euch an meinen letzten Blogeintrag? Gerade die Youngsters unter den Yogalehrern können fabelhaft sein. Pia ist eine von ihnen.
Begegnet bin ich ihr das erste Mal, als sie wie ich, Schülerin neben mir auf der Matte war. Es war die „Deep Hatha“-Stunde von Mario und ich war gerade damit beschäftigt, Leid in Freude zu verwandeln als mir Pia in mein seitliches Blickfeld grätschte. Grätschen im wahrsten Sinne des Wortes. Ich vergaß für einen Moment Freud und Leid, und mein Kopf riss in ihre Richtung. Pias Beine waren im Spagat, der eine horizontale Gerade ergab – das was in der Mitte übrig blieb, also ihr Oberkörper, lag flach am Boden. Sie konnte keine Knochen haben. Dieser Eindruck hat sich bis heute gefestigt – ich bin immer noch felstenfest davon überzeugt, dass sie keine Knochen hat. Wo soll so ein großes Herz sonst Platz haben? Ich habe sie nie gefragt, wie alt sie ist, aber es ist auf jeden Fall mehr als ein Jahrzehnt, eher zwei. Und so was ist jetzt mein Lehrer! Es sind auch weniger ihre körperlichen Fähigkeiten als ihre inneren Werte, die sie zu einem großartigen Lehrer machen. Sie bringt die richtigen menschlichen Anlagen einfach schon mit. Beschämt bis heute bin ich über mein erstes Schubladendenken über sie: „jung, hübsch, Zirkusakrobatin, Primaballerina … folglich: muss oberflächlich sein“. Dieser Eindruck war so um 180 Grad verfehlt wie ihr seitlicher Spagat weit ist. Was hatte ich nur wieder für ein Glück im Leben, dass ich ihr begegnen durfte?!
Pia, mit spirituellem Namen „Padmini“ (was „die Lotusartige“ bedeutet – und kein anderer Name wäre für sie treffender), wird mit ihrer Yogalehrerausbildung im Herbst 2018 fertig sein. Aber schon jetzt unterrichtet sie wie ein Star – da wären wir auch beim ersten Vogel. Für Padmini bedeutet Unterrichten zu dienen, mit Leib und Herz!
Für mich hat sie ihre Zeit zur Verfügung gestellt, um das Reich der Vogel-Asanas vorzustellen:
Der Pfau, das eitle Ding, gehört zu den Detox-Asanas. Wir haben beschlossen, dass an einem anderen Tag gedetoxt wird. Selbst scheitere ich am Pfau, und den Paradiesvogel verfehle ich gänzlich: ich schaffe es ihn in ein Kackstelzen-Asana zu verwandeln.
Wer Pia als Yogalehrerin erleben will, der geht Mittwoch mittags von 10.30- 12.00 h ins Yoga Vida in der Reinsburgstraße und/oder genießt Montag abends um 20.15 im Jivana Yoga eine Ashtanga-Stunde mit ihr.
Es bleibt zu wünschen, dass jeder ein schräger Vogel ist, ab und zu ein Spaßvogel ist und einen Vogel hat – das ist nämlich extrem gesundheitsfördernd. Auf in den Frühling!
Besonderen Dank an mein Model Pia für ihre Zeit, ihre gute Laune, ihr Bhakti, ihr Prana und ihre Freundschaft!
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