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Broome-Boom, Yogaworld 2018 und die geplatzte Seifenblase

22. April 2018Beside the mat Standard

Neulich war die Yogaworld in Stuttgart, das ist eine kleine kleine Messe rund um Yoga. Hin und her hatte ich überlegt, ob es wert wäre hinzugehen, eine echte Yogastunde dafür sausen zu lassen, mich mit noch mehr Programm zuzuschütten und mich der Herausforderung zu stellen, nicht noch mehr Konsumgüter anzuhäufen. Aber ich weiß lieber im Nachhinein, was ich mir hätte sparen können – und die Neugier trieb mich in das Spinnennetz.

Wie schon letztes Jahr gab es vegane Essenstände, Vorträge über Buddhismus, Ayurveda und auch verkürzte Yoga-Einheiten, in denen sich Yogalehrer aus der Umgebung vorstellen. So bin ich zumindest letztes Jahr in den Genuß gekommen, beim bekanntesten Yogalehrer Deutschlands, Patrick Broome, mitzumachen. Lange Zeit ignorierte ich jeglichen Hype um Yogalehrer, aber an Patrick Broome kommt man irgendwann nicht mehr vorbei – kommt doch die ganze Fußball-National-Elf zu ihm ins Yoga. Was für eine tolle Gelegenheit letztes Jahr für mich, auf der Yogaworld den Herrn Broome auszuprobieren. Und so quetschte ich mich dank meiner kurzen Körpergröße unter den Achseln aller anderen (mein Mann nennt mich deswegen wohl  „das Schnellboot“, weil ich ihm in einer Menschentraube oft Meilen voraus bin) in den wohl hässlichsten Kongress-Saal aller Zeiten durch. Alle Yogis erkämpften sich auf unyogische Art und Weise ihren Platz bei dieser Veranstaltung! Der Saal war hoffnungslos überfüllt, graue Anzügen mit grauen Gesichtern hätten besser in das unatmospärische Raumkonzept gepasst. Dann kam Patrick Broome … und es war toll. Dabei hatte ich mir doch so vorgenommen, es nicht gut zu finden. Zum Glück kann man seine Meinung aber ändern. Trotzdem wollte ich es mir dieses Jahr ersparen, mit zusammengekniffenen Augenbrauen und hohem Blutdruck mir einen Mattenplatz zu ergattern. Wer weiß, ob ich mir irgendwann mal eine Exkursion nach München in das Studio von Patrick Broome gönne.

Und so wanderte ich, ohne Yogastunde, zwischen all den Anbietern von lustigen Wackel-Rüttel-Massage-Geräten und sündhaft teuren Mala-Ketten umher und sah hier und da ein paar begehrenswerte Kleidungsstücke und überlegte für einen kurzen Moment, ob sich meine Yoga-Praxis mit einem Top zu einem reduzierten Preis von 60 Euro wohl verbessern ließ. Ein heller Moment in mir war nicht der Meinung. Lachende Gesichter begegneten mir, und ein nettes Schwätzchen lauerte hier und da. Die Stimmung war gut, und Yoga-Menschen arbeiten ja generell an sich, um freundliche Wesen zu sein. Als Kind glaubte ich, der Dorfpfarrer müsste so ein guter Mensch sein – er verpflichtet sich ja von Berufs wegen, ein gutes Herz zu haben. Der Dorfpfarrer enttäuschte mich jedoch. Heute ist es der Yogi, der für mich an höchster Stelle steht – nicht nur Menschenfreund, sondern bestenfalls auch Tierfreund. In dieser Blase fühle ich mich rundum wohl: Gleichgesinnte zum Auftanken, bevor man sich wieder der gesamten Menschheit stellen muss. Kurzum: meine Welt war heil, hell und fröhlich.

Und plötzlich zogen um die Ecke Gewitterwolken auf. Ich kam auf den Stand zu, dessen Inhaber ich ein etwas intensiveres Yogamodul abgesagt hatte, weil ich mich für einen anderen Anbieter entschieden hatte. Ein Modul, was – egal bei welchem Anbieter – nicht einfach so aus der Portokasse zu zahlen gewesen wäre, sondern eine Nacht mehr zum Überdenken braucht und auch eine Investition in sich selbst ist (aus meiner Sicht). Absagen gehört wahrlich nicht zu meinen Leidenschaften, und es tut mir oft sehr leid – sehe ich bei jedem Anbieter das Herz, das dahinter steht und sich mit Hingabe der Sache widmet. Aber sollte es auch inmitten der Yoga-Paradies-Landschaft engere Herzen geben?! Ich war mir so sicher, dass man mit meiner Absage zurecht kam, sich dadurch  nicht gleich der finanzielle Abgrund öffnete, aber ich vielleicht noch freundschaftlich verbunden sein könnte. Wer weiß, durch welche Türen ich in Zukunft noch schreiten werde. Wie ein fröhlicher Hund, der seiner Freude vollen Ausdruck verleiht, ging ich auf die Person zu. Mich traf der Holzhammer. Über mich ergoss sich ein Redeschwall, ich hätte mich ja dann wohl  für vorgelebtes Yoga entschieden – eine Lachnummer gar.

Ein Überlebensrefelx in mir möchte mit allen Menschen in Frieden leben, nicht verletzt zurück bleiben und nicht verletzen. Streit wird umschifft. Meine erste Reaktion war deswegen, dass ich ja vielleicht im Folgejahr noch einsteigen könnte. Millisekunden später, erwiderte meine Hirn- und Herzzentrale, ob ich denn nicht alle Tassen im Schrank hätte und überhaupt nicht lernfähig sei? Wie oft musste ich schon die Konsequenzen tragen, zu meinem allzu spontan gesprochenen Wort zu stehen, trotz Unbequemlichkeiten, trotz Verletzung. Meine sogenannten Schutzreflexe müssen unbedingt überarbeitet werden. Man kann von Glück reden, dass diese Person mir wieder negativ antwortete, den Kopf schüttelte und eine abweisende Geste machte – so wurde ich aus meiner masochistischen Falle gerettet. Alle Wege eines fortführenden Kurses bei dieser Person blieben mir verschlossen. Wie gut, dass mein Herz immer am lautesten schreit und ich mich für meinen jetzigen Anbieter entscheiden hatte. Im Nachsatz kam zwar noch, man würde mich trotz allem lieben, aber mich beschlich trotz aller Arglosigkeit, dass es nicht ganz so ehrlich gemeint sein konnte. Meine durch Yoga erarbeitete Aufrichtung sackte zusammen. Trost fand ich bei der zweiten Person auf dem Stand, die wie eine aufgehende Sonne mich mit ihrer Wärme umarmte. Ja, ich war doch diejenige, die geheilt werden wollte, von meinen Granthis (Blockaden) befreit werden wollte – und jetzt zwang mich die Situation in die Knie, dass ich Verständnis aufbringen musste für einen Menschen mit fundierten psychologischen und therapeutischen Kenntnissen.

Für welches Yoga bei welchem Anbieter auch immer ich mich entschieden habe, egal welche Regeln es gibt – es trifft auf meinen Körper, mein Herz und meine Seele. Ich forme aus den angereichten Werkzeugen meinen individuellen Weg. Ich entscheide mich, wie weit ich mich von Regeln löse, sie breche oder in wessen Fußstapfen ich weiterlaufe.

Yoga ist eine Lebensweise, die nicht außerhalb des Studios oder gar der Matte aufhört. Yoga muss ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen, und man freut sich für jeden, der neu hinzukommt. Yoga heißt, sich gegenseitig zuzuhören, Verständnis zu haben, Glück zu gönnen – und ist Leben. Und Leben ist der Wirtschaftlichkeit übergeordnet.

Zum Glück wird mein Heilungsprozess aber auch rege in Gang gesetzt. Ich kann zum Glück mehr Positivbeispiele nennen – Yogalehrer, denen ich sehr verbunden bin, gönnen mir meinen Schritt, selbst wenn sie nicht finanziell davon profitieren, und sie trösten mich, wenn etwas nicht so gut läuft. Des weiteren läuft mein Hippieherz fast über vor Freude, wenn ich sehe, dass Yogastudio-Besitzer sich gegenseitig in ihren Studios besuchen. Bitte mehr davon! Yoga hat für Konkurrenz keinen Platz.

Wie ich am Ende des Tages auf der Messe aber doch noch richtig glücklich wurde und doch noch etwas kaufte, erzähle ich ein anderes Mal (insbesondere weil es noch nicht fertig ist).

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