Meditation 2 – Der Sitz
Im Yoga geht man eine Verbindung ein, aber man kann auch richtig sesshaft werden.
Das Wort „Asana“ – die Verwurzelung zum Boden – wurde lange Zeit als „Sitz“ gedeutet. Im Meditationssitz haben viele schon die höchsten Ziele erreicht.
Der Meditationssitz (oder heute auch jedes andere Asana) sollte folgende Eigenschaft erfüllen:
sthira-sukham-āsanam (Panatjalis Yoga Sutra 2.46)
Die Körperhaltung sollte stabil und leicht sein (oder der Sitz fest und leicht).
Patanjalis Vers deutet auf jeden Fall darauf hin, dass die Sache mit dem Sitzen etwas langwieriger werden kann. Im Meditationssitz sollte man ausharren können. Und deswegen gibt so unendlich viele Möglichkeiten, einen Sitz einzunehmen. Für jeden ist sicher etwas dabei. Vielleicht kommt Euch Euer gewählter Sitz am heutigen Tag noch nicht perfekt vor, aber er ist es für diesen Moment.
Meine Freundin Pia war das beste Model, das ich mir hätte wünsche können: sie zeigt verschiedenste Sitz-Varianten. Allen Sitzhaltungen liegt zugrunde, dass die Wirbelsäule aufrecht ist, sonst erdrosselt Ihr die Energie und statt der ersehnten Erleuchtung sammelt sich ein unkontrollierter Energiewulst im Körper an. Für fast jeden Sitz könnt Ihr Euch deswegen eine Unterlage nehmen, in Form eines Korkblockes, eines Brockhaus oder einer gefalteteten Decke. Wenn Ihr dann relativ weit vorne auf Eurem gewählten Podest sitzt, kann das Becken leicht kippen, die Knie zu Boden sinken und der Atem frei fließen, ohne dass irgendwelche Muskeln gegenhalten müssen. Der Markt bietet ja sogar Meditationshocker und Meditationskissen an. Wenn Euch ein aufrechter Sitz am Anfang nicht möglich ist, könnt Ihr Euch sogar mit dem Rücken an eine Wand lehnen – aber hier müsst Ihr umso mehr auf der Hut sein, dass Ihr dabei nicht einschlaft.
1. Sukhasana (Schneidersitz) – müsste jeder kennen.
2. Vajrasana (Diamantsitz oder Fersensitz) – bei Bedarf könnt Ihr Euch noch eine Decke zwischen Gesäß und Fersen klemmen.
3. Virasana (Heldensitz) – die Knie sind zusammen, das Becken oben, die Waden und Fersen soweit auseinander, dass Ihr mit dem Gesäß zwischen Euren Waden sitzen könnt. Die Füße liegen eng am Gesäß an. Bevor Ihr Euch zur Erde absetzt, rollt nochmal mit den Händen Eure Wadenmuskulatur nach außen, dann klemmt nichts. Nicht wenige haben bei diesem Sitze ein unangenehmes Ziehen in den Knien, für mich gehört er zu meinen Favoriten.
4. Bhadrasana (kultivierte Haltung) – die Knie sind etwas weiter auseinander als in Vajrasana (2). „Kultivierte Haltung“ scheint jedoch je nach Yogatradition anders interpretiert zu werden. Meistens ist es die Schmetterlingshaltung. Also Knie seitlich abgewinkelt, und die Fußsohlen berühren sich. In einer meiner Lektüren war Bhadrasana jedoch so abgebildet, wie Pia es zeigt. Bhadra bedeutet alles Positive: freundlich, geliebt, gesegnet, begünstigt, großartig und schön (Danke Mario). Also darf Bhadrasana bedeuten, was Ihr für all diese Eigenschaften haltet.
5. Yogapattikasana (Yogagürtel-Sitzhaltung) – sehr angenehm, um die untere Lendenwirbelsäule zu entlasten und die Knie müssen auch nicht mehr gestützt werden. Für die optimale Postion des Gurtes müsst Ihr vielleicht etwas experimentieren.
6. Gomukhasana (das Kuhgesicht) – beide Knie sind übereinander geschlungen und die Füße fallen seitlich auf den Boden wie Kuhohren. Bei dieser etwas asymmetrischen Variante ist darauf zu achten, dass beide Gesäßhäften auf dem Boden aufliegen. Ansonsten heißt es wieder, eine Unterlage zu nutzen – und zwar nicht nur unter die eine Pobacke, die in der Luft schwebt, sondern unter beiden Gesäßhälften. Selbstredend wechselt Ihr auch die Beine ab. Einen Tag ist das linke Bein oben, den anderen Tag das rechte.
7. Siddhasana (vollkommene Sitzhaltung) – mit einer Ferse am Damm, die andere davor liegend. Perfekt für Pranyama.
8. Swatikasana (glückshafte oder vielversprechende Haltung) – wie bei Siddhasana (7) sind die Knie angebeugt, das Gesäß auf dem Boden. Die Fußsohlen liegen auf den jeweils gegenüberliegenden Schenkeln, die Beine sind gekreuzt. Dabei werden die Zehen des oberen Fußes zwischen Waden und Zehen eingefügt.
9. Padmasana – der Lotossitz! Der wohl schönste unter allen Meditationssitzen – und genau so kennen wir es von den traditionellen Bildern aus Indien! Aber: die Indier lernen diesen Sitz auch seit Ihrer Kindheit. Für uns heißt es erstmal, nur mit allergrößter Vorsicht in diesen Sitz hineinzugehen. Denn in dieser Haltung passieren die wohl meisten Verletzungen unter den Yogis. Ein paar Hüftöffnungsübungen sind jedenfalls erforderlich. Das erste Knie anwinkeln und den Fuß in die Leiste ziehen – das ist noch nicht die Hürde und klappt sogar ganz gut. Hier kann man auch übrigens schon bleiben – ein halber Lotos blüht ja auch schon schön. Für den ganzen Lotos wird das zweite Knie über das erst Knie gezogen und der Fuß in die gegenüber liegende Leiste platziert. Das zweite Knie lässt sich jetzt nicht mehr ganz anwinkeln. Aber erst ein komplett angewinkeltes Knie ist vor Verletzungen geschützt. Das musste ich neulich erst lernen von Natalie, die mir schon drohte, dass sie nach jetztfünfzehn Jahren Yogalehrer-Erfahrung in Rente gehen möchte (also jünger als ich mit Yoga überhaupt angefangen habe) – was verheerend für mich wäre, die noch Millionen von Fragen loswerden und den Unterricht von ihr niemals missen möchte. Aber zurück zum Knie: Geschlossenes Knie bedeutet, dass der Oberschenkelknochen und der Schienbeinknochen sich berühren – das ist bei einem durchgestreckten Bein der Fall. Eines „offenes Knie“ bedeutet hingegen, dass das Knie gebeugt ist, und Platz für sein Gelenk, Miniskus, Kniescheibe, Bänder und alles was die Natur sonst noch dazwischen gebaut hat, geschaffen wird. Je besser Ihr also das Knie beugt, desto geringer die Verletzungsgefahr. Im Lotossitz ist spätestens Drüberlegen und Heranziehen des zweiten Beins diese Bedingung nicht mehr gegeben. Deswegen sollte man keine unüberlegten, ruckartigen Bewegungen machen.
Bei keinem anderen Asana als dem Lotossitz merkt man auch die Asymmetrie, die fast jeder Körper hat. Der Lotossitz geht meistens nur auf einer Seite oder ist dort zumindest wesentlich einfacher. Durch das „Fuß-in-die Leiste-ziehen“ habe ich mir meinen oberen Vorderfuß auch schon mal ziemlich gezerrt. Eine weitere Gefahrenquelle ist, dass das Fußgelenk überdehnt werden könnte. Der westliche Körper muss also sehr langsam herangeführt werden. Angst ist jedoch ein schlechter Berater – wenn Ihr Euch erstmal in Padmasana eingerichtet habt, ist alles kompakt und energetisch perfekt. Von hier aus lassen sich außer Meditation noch weitere Asanas bewerkstelligen.
Lotos oder Lotus? Wenn man es genau nimmt, ist es eigentlich der Lotos-Sitz, da das Wort ja von der berühmten Wasserblume abstammt. Da es aber niemand genau nimmt, sind beide Varianten legitim und eingebürgert. So ein Lotossamen kann sogar noch nach über 1000 Jahren keimen. Im Yoga ist diese Blume nicht wegzudenken. Ihre Bedeutungen sind unendlich weit gefächert. Und passender wird es nun nicht mehr: Pia hat den spirituellen Namen Padma, was Lotosblüte bedeutet. Der Name ist vollkommen passend – das wird klar, wenn man sie sieht. Niemand blüht schöner von innen und aussen.
Übrigens steht sie Euch auch gerne mit Rat und Tat zur Seite, wenn Ihr ein paar Tipps für Ernährung braucht, nicht oder noch nicht ganz so glücklich seid, wie Euer bisheriges Essverhalten Euch geformt hat. Yogastunden bekommt Ihr natürlich auch noch von ihr, und zwar die ganze Spannbreite:
Anfänger jeden ersten Sonntag im Monat z.B. am 05.05.2019 und am 02.06.2019 jeweils von 14.00 – 16.00 h
die Checker können bei ihr montags Ashtanga machen, von 20.15 – 21.15 h
und Vinyasa, Level 2 am Mittwoch von 20.00 – 21.30h. Alles im Jivana Yoga.